November­pogrome
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1938 in Niedersachsen

Emden

Um 1560 ließen sich die ersten jüdischen Familien in Emden nieder. Es handelte sich um Ashkenasim, die vom sich entwickelnden Emder Hafen profitieren wollten. Sie vermittelten Warengeschäfte (Maklerei) und traten als Kreditgeber auf. Um 1560 war der Emder Hafen einer der größten Umschlagsplätze Nordwesteuropas, als wegen des niederländischen Unabhängigkeitskrieges gegen Spanien die Hafenplätze Hollands, Seelands und Flanderns ausfielen. In den 1580er Jahren kam es zu wachsenden gesellschaftlichen Spannungen in Emden. Vordergründig ging es um die Erringung der Freiheit von der Herrschaft des Grafen von Ostfriesland. Darüber hinaus ging der innere Konflikt um die Dominanz der kalvinischen Richtung der Reformation. Mit der Emder Reformation vom März 1595 wurde der Konflikt entschieden. Die kalvinistische Kirche wurde zur Staatskirche. Andere Konfessionen und Glaubensrichtungen mussten ihre Duldung erkaufen. Die jüdischen Gemeindemitglieder mussten der Stadt Emden ein Geleitgeld entrichten. Das Vierzehnerkollegium als Teil des Rates regte die Einrichtung eines Gettos an und spezielle Kleidung für die Juden, wie „es im Reich üblich ist“.

Die jüdische Minderheit lebte unter Sonderrecht. Ihre Gottesdienste wurden von Magistratsangehörigen kontrolliert. Juden durften keine Handwerke ausüben mit Ausnahme des Schlachterhandwerks. Trotz dieser Restriktionen wuchs die jüdische Gemeinde.

Im Siebenjährigen Krieg (1756 – 1763) wurden die Emder Juden für die Verbreitung von unterwertiger Münzen verantwortlich gemacht. 1761 kam es zu einem Pogrom, in dem Häuser der jüdischen Bewohner geplündert und beschädigt wurden.

Nach dem Siebenjährigen Krieg beruhigte sich die Lage. Inzwischen besaß die Israelitische Gemeinde eine eigene, aus Holz gebaute Synagoge. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts befand sich der jüdische Friedhof außerhalb der Stadt am Treckfahrtstief in Tholenswehr. Um 1790 wurde er an seiner heutigen Stelle neu angelegt.

Nach einer kurzen rechtlichen Gleichstellung während der napoleonischen Zeit zwischen 1806 und 1814 wurde die jüdische Minderheit unter hannoverscher Herrschaft erneut unter Sonderrecht gestellt. Erst um 1848 gelang die Durchsetzung der Emanzipation der jüdischen Einwohner Emdens. Von 1834 – 1836 wurde die baufällige Synagoge durch einen im klassizistischen Stil errichteten Bau ersetzt. Die feierliche Einweihung erfolgte am 24. August 1836 in Anwesenheit von Bürgermeister und Magistrat der Stadt Emden. 1910/1911folgte die Erweiterung der Synagoge mit Modernisierung der Fassade nach den Plänen des Hamburger Architekten und Regierungsbaumeisters Friedheim. Auch hier fand die feierliche Einweihung im Beisein des Oberbürgermeisters und der städtischen Kollegien sowie von Vertretern der christlichen Gemeinden statt.

Zwischen 1873 und 1913, der Amtszeit des Oberbürgermeisters Leo Fürbringer, erlebte die Israelitische Gemeinde ihre Blütezeit. In der aufstrebenden Hafenstadt Emden, die auch Sitz des Landesrabbinats war, lebten um 1900 etwa 1100 jüdische Einwohner, die zum größten Teil das Bürgerrecht besaßen.

In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ging die Zahl der jüdischen Bewohner Emdens zurück. Die Hyperinflation von 1923 und die beginnende Weltwirtschaftskrise um 1928/29 vernichteten wirtschaftliche Existenzen. Dazu kam der während der Zeit der Weimarer Republik sich steigernde Antisemitismus. Der Wahlerfolg der NSDAP im September 1930 versetzte vielen Juden einen Schock.

Gleich nach der Machtübernahme der NSDAP im Reich kam es zu antijüdischen Maßnahmen. Zunächst wurde den in Emden zahlreich vertretenen jüdischen Schlachtern der Gewebeschein entzogen. Zu ihnen gehörte die Familie von Max Windmüller, der während des Zweiten Weltkriegs vom niederländischen Untergrund aus zahlreiche Flüchtlinge seines Glaubens rettete.

Wie in anderen Städten fand auch in Emden ab Ende März bis Anfang April 1933 die von der NSDAP inszenierte Boykottaktion gegen jüdische Geschäfte, Arztpraxen, Anwaltskanzleien und sonstige Gewerbetreibende statt. Ihr folgte eine erste größere Auswanderungswelle.

Bis 1938 kam es zu „Arisierungen“ jüdischer Geschäfte, darunter das überregional bekannte und beliebte Kaufhaus Valk.

Im August 1938 kam es zur Ausweisung polnisch-stämmiger jüdischer Bewohner Emdens. Auch eine Ehe mit einheimischen Frauen bildete kein Hindernis. Diesem ersten Probelauf der späteren Deportationen fielen 17 Männer, Frauen und Kinder zum Opfer.

Am Vorabend der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 lebten noch 320 Juden in Emden.

Das Kaufhaus Valk in Emden, Zwischen Beiden Sielen. Stadtarchiv Emden

Die Synagoge zu Emden, 1912. Stadtarchiv Emden

Am 9. November hatte sich die Kreisleitung der NSDAP Emden in ihrem Parteihaus, der alten Waage am Neuen Markt versammelt. Man gedachte des Hitlerputsches von 1923. Im Münchner Hofbräuhaus fand zugleich die Hauptversammlung in Anwesenheit von Adolf Hitler statt. Als der Tod des von Herschel Grynszpan angeschossenen Botschaftsrats Ernst vom Rath in Paris bekanntgegeben wurde, gab Propagandaminister Joseph Goebbels von München aus das Startsignal für die Reichspogromnacht gegen die jüdische Minderheit.

Die Emder Kreisleitung erhielt den Befehl zum Losschlagen von der Oldenburger Gauleitung gegen 23.00 Uhr. Um 1.00 Uhr sollten laut einem telefonischen Befehls des Gauleiters Weser-Ems, Karl Röver, alle Synagogen im Gau Weser-Ems brennen. Nachdem Kreisleiter Bernhard Horstmann die örtliche SA mobilisiert hatte, begab er sich mit einigen Helfern zur Synagoge an der Bollwerkstraße/Am Sandpfad. Sie drangen in das Gotteshaus ein und raubten wertvolles Inventar (u. a. silberne Thoraaufsätze) Im Gebäude wurden einige Stroh- und Heuballen platziert, Benzin und Brandbeschleuniger ausgebracht und angezündet. Gegen 2.30 Uhr stand die Synagoge in hellen Flammen.

Unterdessen wurden durch SA-Leute unter Führung des Standartenführers Kroll und seines Adjutanten Otto Bennmann jüdische Häuser und Geschäfte gestürmt, ihre Bewohner herausgezerrt und zur Turnhalle der Neutorschule getrieben. Die SA-Leute machten auch von der Schusswaffe Gebrauch. Der Kaufmann Louis Philipson erhielt einen Lungensteckschuss. Tödlich verwundet wurde der Schlachter Daniel de Beer, der aus der Polizeiwache von einem SS-Angehörigen herausgeholt wurde und unter nie geklärten Umständen vor dem Wachgebäude seine tödliche Verletzung erhielt.

Die in der Schulturnhalle zusammengetriebenen jüdischen Bewohner Emdens mussten Misshandlungen und Drangsalierungen ertragen. Frauen, Kinder und Männer über 65 Jahre durften am Morgen des 10. November 1938 die Turnhalle verlassen und in ihre verwüsteten Wohnungen und Häuser zurückkehren mit der Auflage, diese selbst wieder in Ordnung zu bringen. Die übrigen Männer blieben in der Turnhalle und wurden weiter gequält. So mussten sie unsinnige Arbeiten verrichten. Einer besonderen Drangsalierung war Leopold Cohen ausgesetzt, da er der „Rassenschande“, d. h. einer intimen Beziehung mit einer Nichtjüdin, bezichtigt wurde. Die SA-Schergen stießen ihn in den Stadtgraben und drückten ihn unter Wasser bis er fast ertrank.

Am 11. November übernahm die SS die Gefangenen. Vom Bahnhof West aus wurden die Emder über Oldenburg in das KZ Sachsenhausen transportiert. Hier starben an den Misshandlungen der Kaufmann Sally Löwenstein und der Viehhändler Hermann Sax.

Bis Anfang Februar 1939 wurden die Gefangenen nach Zusicherung der Auswanderung entlassen.

Die Neutorschule, 1938. Die jüdische Bevölkerung Emdens wurde in der Turnhalle der Schule zusammen getriebenen und festgehalten. Stadtarchiv Emden

Die brennende Synagoge in Emden, 10. November 1938. Stadtarchiv Emden

Am 8. November 1939 lebten nach Angabe des Emder Oberbürgermeisters Carl Renken noch 320 Juden in Emden. Nach dem Stand der Bevölkerung von 1914 hatten etwa 2/3 der jüdischen Bürger ihre Heimatstadt bereits verlassen. Tatsächlich kam es im November 1938 zu einer Emigrationswelle. So verließ der anerkannte Facharzt Dr. Julian Kretschmer mit seiner Frau Elsbeth, geb. Valk Emden in Richtung Palästina. Andere wanderten nach Südamerika und den USA aus. Walter Philipson konnte nach Großbritannien auswandern, nachdem es seinen Eltern gelang, für ihn ein Visum und einen Bürgen zu erhalten. Die jüngsten Kinder des Bäckerehepaars Louis und Betti Wolff, Ilse und Hans gelangten mit einem Transport nach Schweden.

Die jüdischen Bürger, denen die Auswanderung nicht gelang, mussten ihre Wohnungen aufgeben und in Häuser der jüdischen Gemeinde sowie in das jüdische Altenheim umziehen. Im Frühjahr 1940 erfolgte die Ausweisung von etwa 200 Personen nach Berlin, Bremen, Hamburg und Frankfurt/Main. Emden galt als „Frontstadt“, und Oberbürgermeister Renken hatte mit den Landräten der umliegenden Kreise des Regierungsbezirks Aurich die Deportation aller Juden Ostfrieslands nach dem besetzten Polen gefordert. Im Herbst 1941 waren nur die Bewohner des jüdischen Altenheims an der Karl-Tholen-Straße 18 zurückgeblieben. Zu ihnen stießen im Oktober 1941 die letzten Juden aus Aurich und Norden.

Am 22. Oktober 1941 erfolgte der Abtransport von 23 Heimbewohnern, unter ihnen das Ehepaar Betti und Louis Wolff, in das Altenheim Varel. Von dort wurden sie im Juni 1942 in das Getto Theresienstadt deportiert. Am Morgen des 23. Oktober 1941 erfolgte die Deportation der übrigen 122 Bewohner in das Getto Litzmannstadt, der polnischen Stadt Łódź. Von ihnen überlebte keiner den Holocaust.

Marsch der aus dem Altenheim in Varel deportierten Jüdinnen und Juden vom Bahnhof Radegast zum Ghetto Litzmannstadt, 25. Oktober 1941. Jüdisches Museum Frankfurt/M., Genewein-Sammlung

Deportation aus Emden, Ostfriesische Tageszeitung vom 23. November 1941. Stadtarchiv Emden

Der am 6. Juli 1915 in Emden geborene Walter Philipson war der einzige Sohn der Eheleute Louis und Johanna Philipson, geb. Marks. Nach seiner Schulausbildung bereitete er sich auf die Übernahme des väterlichen Geschäfts vor. Als die Situation während der 1930er Jahre immer schwieriger wurde, begann Walter Philipson seine Emigration zu planen.

Während der Reichspogromnacht vom 9./10. November 1938 wurde er mit seinen Eltern in die Neutorschule verschleppt. Am nächsten Tag erfolgte der Transport zum KZ Sachsenhausen, wo er bis Januar 1939 inhaftiert blieb und unter Misshandlungen und Hunger litt. Nach seiner Rückkehr ermöglichten seine Eltern ihm unter Einsatz ihres letzten Vermögens die Ausreise nach Großbritannien.

Während des Krieges diente Walter Philipson in der britischen Armee. Nach dem Krieg lebte er in Israel, wurde dort jedoch nicht heimisch und kehrte Ende der 1960er Jahre nach Deutschland zurück. Er nahm seinen Wohnsitz in Hannover, wo er am 24. Juli 2008 starb. Über das Schicksal seiner Eltern hat er bis zum Lebensende nichts erfahren können.

Louis Philipson war am 19. März 1863 in Emden geboren worden. Er betrieb ein Antiquitätengeschäft in der heutigen Brückstraße 21.

1933 schädigten erste Boykottmaßnahmen der Nationalsozialisten das Geschäft.

Während der Reichspogromnacht vom, 9. auf den10. November 1938wurdenGeschäft sowie Wohnung von der SA geplündert und verwüstet. Louis Philipson wurde zusammen mit seiner Frau Johanna in die Neutorschule verschleppt und erlitt dort eine Schussverletzung. Ein Lungensteckschuss blieb bis zum Morgen unbehandelt. Bis Januar 1939 war er in Krankenhausbehandlung; anschließend zog er mit seiner Frau in das jüdische Altenheim in der Claas-Tholenstraße 18. Am 23. Oktober 1941 erfolgte die Deportation in das Ghetto Litzmannstadt (Łódź). Zunächst wurden er und seine Frau in eine Sammelunterkunft eingewiesen. Am 25. Dezember 1941 bezogen sie das Altenheim des Ghettos in der Gnesener Str. 26.

Am 12. Mai 1942 wurde Louis Philipson mit seiner Frau im Vernichtungslager Chełmno ermordet.

Das Schicksal von Hans Wolff ist ein sehr tragisches und berührendes zugleich.

Der am 1. Juni 1933 in Emden geborene jüngste Sohn von Louis Wolff und seiner Frau Betti, geb. Weinberg wurde von seinen Eltern am 13. April 1939 nach Schweden verschickt, um vor der NS-Verfolgung in Sicherheit zu sein. Am Bahnhof dachte der Fünfjährige, dass er nur eine kurze Reise machen sollte und tröstete seine weinende Mutter. Als ihm der Verlust seiner Familie bewusst wurde, erlitt er ein schweres Trauma. Er verdrängte seine deutsche Muttersprache und nahm später seine Geschwister, die mit ihm Kontakt aufgenommen hatten, nicht mehr als Familienangehörige wahr. Hans Wolff wurde im Frühjahr 1940 von dem Ehepaar Edith und Sven Ericsson aufgenommen. Seine Eltern hatten bis zu ihrer Deportation nach Theresienstadt brieflichen Kontakt zu den Pflegeeltern ihres jüngsten Sohnes.

Nach schwerer Jugend gelang es ihm, eine erfolgreiche berufliche Karriere aufzubauen. Sein Leben blieb jedoch von dem Verlust seiner Eltern überschattet. Er starb am 2. Juni 2003 in Stockholm.

Hans Wolff (vorne mit Teddy) mit seiner Familie, 1938. Stadtarchiv Emden, Fotosammlung

Der am 3. Juli 1875 in Meppen im Emsland geborene Kaufmann Salomon, genannt Sally Löwenstein zog mit seiner Frau Minna, geb. Simons im Januar 1908 nach Emden.

Hier baute er sich bis 1933 mit Wohnsitz „Zwischen beiden Bleichen“ und Geschäftshaus an der Daalerstraße einen umfangreichen Handel mit Vieh, Viehprodukten und Landesprodukten auf. Mit der Weltwirtschaftskrise ging das Geschäft stark zurück. Nach dem ersten Boykott jüdischer Geschäfte durch die Nationalsozialisten im März/April 1933 konnte Sally Löwenstein nur noch durch den Viehexport als Subunternehmer größerer Handelsgesellschaften Einnahmen erzielen.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde Salomon Löwenstein von der SA „aufgeholt“ und in die Neutorschule verbracht. Am Vormittag des 10. November erfolgte der Transport in das KZ Sachsenhausen. Mit seinen Mitgefangenen musste Löwenstein 12 Stunden lang ohne jegliche Versorgung am Tor des Lagers stehen. Diese Tortur ertrug sein von der Anreise geschwächter Körper nicht mehr. Sally Löwenstein brach zusammen und verstarb am 12. November 1938. Seiner Witwe wurde drei Wochen später die Urne gegen eine Gebühr von drei Mark zugesandt.

Der Maler Hermann Sax zog in den 1930er Jahren mit seinem Vater Simon Sax von Aschendorf, wo er 1904 geboren worden war, nach Emden.

Bis 1935 wohnten der verwitwete Vater und sein Sohn in der Auricher Straße. 1935 zogen sie in getrennte Wohnungen. Bis 1938 scheint Hermann Sax von Gelegenheitsarbeiten gelebt zu haben, was durch häufige kurzfristige Wohnungswechsel illustriert wird. Niemand war bereit, einen Juden regulär zu beschäftigen.

Im Herbst 1938 lebte Hermann Sax an der Kleinen Faldernstraße 14, im Haus des Lederhändlers Arthur Gans und dessen Familie.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde er von der SA „aufgeholt“ und wie die übrigen Emder Juden zur Neutorschule gebracht. Hier musste er Misshandlungen und Erniedrigungen erdulden. Am 10. November 1938 erfolgte der Abtransport ins KZ Sachsenhausen. Hier kam es zu weiteren Quälereien und Schikanen durch sinnlose Tätigkeiten. Nach den Schilderungen seines Mitgefangenen Walter Philipson musste er zusammen mit mehreren Häftlingen am 22. Dezember 1938 eine Lore schieben und stürzte dabei. Der SS-Aufseher zwang die Mitgefangenen den am Boden Liegenden mit der Lore zu überfahren. Hermann Sax erlitt dabei tödliche Verletzungen.

Daniel de Beer wurde am 28. Juni 1899 als Sohn des Viehhändlers und Schlachtermeisters Isaak de Beer und seiner Frau Recha, geb. Adler in Emden geboren.

Nach dem Tode seines Vaters übernahm er 1932 zusammen mit seinem Bruder Karl de Beer den väterlichen Betrieb. Bis 1932 lebte die Familie in der Auricher Straße 59. Im Sommer dieses Jahres verzog sie in die Friesenstraße 21. 1935 ging Daniel de Beer mit der aus Sögel stammenden Rosa Jacobs (geb. 08. Oktober1898) die Ehe ein. Aus dieser Verbindung entstanden zwei Kinder, Fritz, geb. 27. Juli 1936, und Erika, geb. 20. Oktober 1937

1936 lebte die Familie mit der Großmutter Recha und Schwager Karl in der Bismarckstraße 2. Tochter Erika wurde in der letzten Familienadresse, der Daalerstraße 11, geboren.

Die rasche Folge der Umzüge zeigt die sich, seit dem für Juden 1933 in Kraft gesetzten Schlachtverbot, rapide verschlechternde wirtschaftliche Lage.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde Daniel de Beer von SA-Männern zur Polizeiwache gebracht. „Obertruppführer“ Böhmer zerrte ihn kurze Zeit später aus dem Wachlokal. Es fiel ein Schuss, und de Beer blieb blutend neben den Kanonen vor der Polizeiwache liegen. Am 23. November 1938 verstarb er an den Folgen des Lungendurchschusses. Die Umstände des Mordes blieben ungeklärt.

Verurteilt im Schwurgerichtsprozess in Aurich am 22. Juni 1949: 3 Jahre und 4 Monate Zuchthaus und 3 Jahre Ehrrechtsverlust.

Der 1912 in Nordhorn geborene Bernhard Horstmann war der Sohn eines Webermeisters. Er wechselte von der Mittelschule auf die Oberrealschule und besuchte sie bis zur Obersekunda. Danach absolvierte er eine Tischlerlehre. Während der Weltwirtschaftskrise wurde er erwerbslos und schloss sich der NSDAP an. Ab September 1930 wurde er hier hauptberuflich tätig. 1933 avancierte er zum SA-Sturmführer. 1936 erhielt er die Funktion eines hauptamtlichen Kreisleiters in Osnabrück-Land. In Emden wurde er im Februar 1938 tätig. Im September 1939 meldete sich Horstmann freiwillig zur Wehrmacht und kämpfte in Frankreich und der Sowjetunion. 1942 erlitt er eine Verwundung. Im September 1942 „uk“ („unabkömmlich“) gestellt, übernahm er den Posten des Kreisleiters von Wilhelmshaven. Am 12. Mai 1945 wurde er durch die britische Besatzungsmacht interniert. In Zusammenhang mit Wehrwolfs-Verbrechen musste sich Horstmann in Oldenburg einem Prozess stellen, in dem er zu drei Jahren Haft verurteilt wurde. Am 28. April 1949 begann vor dem Schwurgericht in Aurich das Verfahren gegen ihn wegen der Brandstiftung der Emder Synagoge.

Verurteilt im Schwurgerichtsprozess in Aurich am 22. Juni 1949: Zwei Jahre Gefängnis und 2 Jahre Ehrrechtsverlust.

1907 in Hannover geboren, besuchte Otto Bennmann bis zum 15. Lebensjahr die Oberrealschule in Emden. Durch einen Unfall hatte er im Alter von sieben Jahren den rechten Arm verloren. Nach dem Schulbesuch absolvierte er eine kaufmännische Lehre. Bis zur Weltwirtschaftskrise war er als angestellter Kaufmann tätig. Nach mehrjähriger Arbeitslosigkeit erhielt er 1934 eine Angestellten-Position beim Wasserstraßenamt. Seit 1932 war Bennmann Mitglied der NSDAP und der SA. In diesem Zusammenhang muss ein Delikt wegen unerlaubten Waffenbesitzes stehen. Deswegen wurde er am 5. September 1932 zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. 1933 trat er vorübergehend aus der SA aus, um 1935 wieder Mitglied zu werden. Als Behinderter konnte er nicht am aktiven Dienst in der SA teilnehmen. Stattdessen war er in der Verwaltung tätig. Sein Handicap hinderte ihn nicht innerhalb der SA zum Adjutanten und bis 1941 zum Obersturmführer zu avancieren.

Bennmann übernahm am Morgen des 10. November 1938 die Aufsicht über die in der Turnhalle der Neutorschule gefangenen Juden. Er ordnete die Drangsalierung der Gefangenen durch Exerzierübungen an und unterließ Hilfeleistung für die verwundeten Louis Philipson und Simon Pels. Bennmann entließ zwar um 6.00 Uhr früh am 10. November 1938 die Alten sowie Frauen und Kinder, überließ aber anderen SA-Formationen einige Gefangene zu Quälereien und wurde am Morgen des 10. November 1938 durch Gestapobeamte abgelöst.

Wegen seiner Behinderung musste Bennmann im Zweiten Weltkrieg keinen Wehrdienst leisten. Nach dem 8. Mai 1945 wurde er von seiner Dienstelle beim Wasserstraßenamt wegen NS-Mitgliedschaft entlassen. Am 22. Mai 1946 erfolgte seine Verhaftung auf Betreiben der Staatsanwaltschaft unter Zustimmung der britischen Militärregierung wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit.

Verurteilt im Schwurgerichtsprozess in Aurich am 22. Juni 1949: Zwei Jahre Gefängnis.

Martin Theesfeld war 1908 als Sohn eines Fisch- und Gemüsehändlers geboren worden. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte er eine kaufmännische Lehre. Bis 1932 arbeitete er als Handelsgehilfe und wurde nach einem Jahr Arbeitslosigkeit vom Wasserstraßenamt Emden (heute: Wasser- und Schifffahrtsamt) als Büroangestellter eingestellt. Am 1. März 1939 erhielt er nach erfolgreicher Prüfung den Beamtenstatus.

Seit 1928 war Martin Theesfeld Mitglied der NSDAP und der SA. In der SA avancierte er bis zum 1. September 1938 zum Obersturmführer. In dieser Funktion mobilisierte er in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 die Emder SA zur „Aufholung“ der Juden. Er handelte auf Befehl des Standartenführers Kroll. Er beteiligte sich aktiv an den Gewaltaktionen gegen die Juden und wurde im Prozess verdächtigt, am Raub jüdischen Eigentums teilgenommen zu haben.

Am 1. September 1939 wurde Theesfeld zur Wehrmacht eingezogen und diente bis zur Kapitulation am 8. Mai 1945 als Oberleutnant bei der Marineartillerie. Im Herbst 1945 kehrte er aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Wegen seiner NSdAP- und SA-Mitgliedschaft konnte er seine Stelle beim Wasserstraßenamt nicht mehr antreten. Bis 1947 war er als Hafenarbeiter tätig und trat dann in das Geschäft seiner Eltern in Mittegroßefehn ein.

In Emden gibt es den jüdischen Friedhof als einzige erhaltene Stätte der ehemaligen jüdischen Gemeinde. Darüber hinaus wurde an der Stelle der 1938 zerstörten Synagoge an der Bollwerkstraße 1998 eine Gedenkstele errichtet. Hier finden seit den 1990er Jahren die jährlichen Kundgebungen zur Erinnerung an die Reichspogromnacht statt.

Im Sommer 1945 kehrten 12 Überlebende aus dem Getto Theresienstadt nach Emden zurück. Es handelte sich um christlich-jüdische Ehepaare, die noch im Januar 1945 deportiert wurden. Dazu kamen noch andere Überlebende der Shoa, die allerdings bis 1948 nach Israel auswanderten. Die in Emden Bleibenden gründeten einen gemeinnützigen Synagogenverein, dessen Ziel es war, die Israelitische Gemeinde neu zu begründen. Ihre Initiative versandete und innerhalb der Bevölkerung wurde die historische Tatsache des Vorhandenseins einer jüdischen Gemeinde völlig verdrängt.

Diese Verdrängung kam zu einem gewissen Ende, als Marie Werth und Siegfried Sommer eine Einladung der Stadt Emden an die in Israel, den USA, Großbritannien und Lateinamerika lebenden Emder Holocaust-Überlebenden initiierten. Im Herbst des Jahres fand dieser Besuch unter großer Anteilnahme der Bevölkerung statt.

Aus dem Initiatorenkreis der Besuche ging der Arbeitskreis „Juden in Emdem“ hervor. Gründungsmitglieder waren der erste Vorsitzende des Vereins Prof. Dr. Siegfried Sommer, Marie Werth und der Leiter der VHS Reinhard Claudi und seine Frau Marianne.

Unter tatkräftiger Unterstützung der Stadt Emden, besonders durch Oberstadtdirektor Dr. Jürgen Hinnendahl, verwirklichte der Arbeitskreis ein Projekt mit Interviews der Überlebenden unter dem Titel „Wir lebten in Emden“. Er organisierte außerdem die Gedenkarbeit und stieß Forschungen zur Geschichte der Israelitischen Gemeinde in Emden an. Die Max-Windmüller-Gesellschaft als Nachfolgerin des Arbeitskreises initiiert darüber hinaus seit 2012 ein Schulprojekt mit Emder und Schulen aus Łódź zur Dokumentation des Schicksals der am 23. Oktober 1941 in das Ghetto Litzmannstadt deportierten jüdischen Bürger aus Emden, Aurich und Norden.

Der jüdische Friedhof in Emden, 2017. Foto: Rolf Uphoff

Eine Reise nach Łódź – ein Projekt der Max-Windmüller-Gesellschaft Emden und der BBS II Emden