November­pogrome
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1938 in Niedersachsen

Lüneburg

Der Beginn der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde Lüneburgs liegt weitgehend im Dunkeln: 1288 erwähnt eine Quelle zum ersten Mal eine „platea judeorum“ oder „Jodenstrate“ unterhalb des Kalkbergs. Offenbar lebten zu diesem Zeitpunkt also schon länger einige Juden in der Stadt. 1350 wurden sie fast alle in einem Pestpogrom von ihren christlichen Nachbarn erschlagen, nur wenige konnten fliehen. In den nächsten dreihundert Jahren siedelten sich keine Juden dauerhaft im Stadtgebiet an. Aber die Straße „Auf der Altstadt“, in der auch die mittelalterliche Synagoge stand, war noch bis etwa 1800 unter dem Namen Judenstraße bekannt.

Die jüdische Gemeinde der Neuzeit geht auf das Jahr 1680 zurück, als der Landesherr den Textilfabrikanten Jacob Behrens (einen Verwandten des hannoverschen Hofjuden Leffmann Behrens) als „Schutzjuden“ in Lüneburg ansiedelte. Die Lüneburger Bürger wehrten sich gegen den Zuzug von Juden, sodass es bis etwa 1800 nie mehr als fünf jüdische Familien gab. Erst um diese Zeit durften auch die ersten Juden in Lüneburg Grundbesitz erwerben. 1823, als acht Schutzjuden mit ihren Familien und Hausangestellten in der Stadt lebten, gewährte der Lüneburger Magistrat der Gemeinde endlich einen eigenen Friedhof. Bis dahin hatten die Lüneburger Juden ihre Toten in Winsen, Harburg oder Bleckede bestatten müssen.

Mit der Judenemanzipation in den 1840er Jahren begann eine neue Phase, die das Ende der Schutzgeldzahlungen und anderer Schikanen mit sich brachte. 1843 konnten drei schon lange ansässige Juden das Bürgerrecht erlangen, bald ließen sich viele weitere Familien in Lüneburg nieder. Waren sie zunächst vor allem im Bankgeschäft tätig, so kamen nach und nach auch andere Gewerbe hinzu.

Stetig wuchs die jüdische Gemeinde weiter, bis sie um 1905 rund 180 Mitglieder hatte. Die Zeit bis zum Ersten Weltkrieg war für die Lüneburger Juden – wie für die deutschen Juden allgemein – eine Zeit der zunehmenden gesellschaftlichen Anerkennung und des wirtschaftlichen Aufstiegs. Es gab in Lüneburg jüdische Bankiers, Kaufleute, Rechtsanwälte und Ärzte, aber auch Angestellte, Handwerker, Viehhändler, Hausmädchen und Trödler. Ihre Kinder besuchten staatliche Schulen, Juden waren in Sportvereinen, Clubs sowie sozialen und kulturellen Vereinigungen aktiv.

Bedeutendste Figur war über Jahrzehnte der engagierte Bankier und Kaufmann Marcus Heinemann (1809-1918). Als Vorsteher der jüdischen Gemeinde war er die treibende Kraft hinter dem Bau der Synagoge in den 1890er Jahren. Bis dahin hatte man sich in wechselnden Betsälen treffen müssen, die nun allesamt zu klein geworden waren. Als das prächtige Gebäude in dem für Lüneburg typischen roten Backstein 1894 eingeweiht wurde, versicherte Oberbürgermeister Keferstein der Gemeinde, „daß die Stadt dieses Gotteshaus in Obhut nehmen und bewahren werde.“ Die meisten Lüneburger Juden dieser Jahre waren kulturell assimilierte Patrioten, die Männer kämpften und starben im Deutsch-Französischen Krieg, im Boxeraufstand und im Ersten Weltkrieg.

Marcus Heinemann (1819-1908) im Garten seines Lüneburger Hauses, ca. 1905. Museum Lüneburg

Nach 1918 machte sich indes der Antisemitismus auch in Lüneburg häufiger bemerkbar, unter anderem in Schmierereien und Vandalismus an der Synagoge. Höhepunkt war 1929 ein Bombenattentat auf den jüdischen Anwalt Dr. Emil Strauss aus den Kreisen der antisemitischen Landvolkbewegung. Die schwierige wirtschaftliche Lage ließ im Laufe der 1920er Jahre einige Juden die Stadt oder sogar das Land verlassen. Zugleich kamen infolge der zaristischen Pogrome des späten 19. Jahrhunderts ab 1900 und verstärkt ab 1919 viele jüdische Einwanderer aus Osteuropa nach Lüneburg, vor allem aus Galizien. Diese zumeist ärmeren „Ostjuden“ und die eingesessenen Lüneburger Juden trennten religiöse Ausrichtungen, soziale und kulturelle Unterschiede und ein gewisser Dünkel der deutschen Juden. Nicht zuletzt durch das integrative Wirken des Bankiers Moritz Jacobsohn als Gemeindevorsteher kam es jedoch zu einer langsamen Annäherung.

Mann

Moritz Mendel Jacobsohn (1845-1932) vor seinem Lüneburger Haus. Sammlung Ruth Verroen

Zu Beginn der NS-Zeit wurden in Lüneburg 114 Juden gezählt, 1937 waren es nur noch 38. Angefangen mit dem Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 trieben Entrechtung, wirtschaftliche Ausblutung und Ausgrenzung vor allem die Jüngeren aus der Stadt. In Schule und Beruf zunehmend isoliert und geächtet, ausgestoßen aus der NS-„Volksgemeinschaft“, hatten sie hier keine Zukunft mehr. Sie zogen in größere Städte oder emigrierten. Im Laufe des Jahres 1938 forcierten Stadtverwaltung, Regierungspräsidium und Gauleitung in enger Zusammenarbeit die „Entjudung“ des Wirtschaftslebens. Mehrere „Arisierungen“ sorgten dafür, dass es im Herbst 1938 nur noch zwei jüdische Geschäftseigentümer in Lüneburg gab.

An der steigenden Zahl der Auswanderungen bis zur Pogromnacht 1938 ist deutlich abzulesen, wie sich die Schlinge immer enger zog. Alle Juden, die es noch irgendwie arrangieren konnten, flohen aus Lüneburg nach Palästina oder in die USA: Im Juni 1938 der 14-jährige Schüler Fred Jacobson; im August Elisabeth Behr, die bis zuletzt im „arisierten“ Schuhgeschäft ihrer Eltern gearbeitet hatte; im Oktober ihr ehemaliger Kollege Alfred Hirsch sowie der Kaufmann Siegmund Schickler, dessen Eltern noch ihr Schuhgeschäft besaßen; und noch Anfang November die Familien Spalter und Bruck, die zum Wäschehaus Meer gehörten. Der letzte Jude aus Lüneburg, der vor dem Pogrom entkommen konnte, war der frühere Rechtsanwalt Dr. Ernst Less, der bis zur erzwungenen Schließung im Textilgeschäft seiner Eltern gearbeitet hatte. Er verließ am 6. November Lüneburg in Richtung USA und erinnerte sich später nicht ohne eine gewisse Genugtuung, dass die Gestapo ihn nach der „Kristallnacht“ überall vergeblich gesucht habe.

Auch die immer kleiner gewordene jüdische Gemeinde war am Ende. Spätestens im Sommer 1938 war sie durch die antisemitischen Steuergesetze und den Mitgliederverlust finanziell ruiniert. Der einzige Ausweg war der Verkauf der Synagoge und des dazugehörigen Grundstücks in bester Lage. Die Stadt signalisierte zunächst Kaufinteresse, aber nur unter der Bedingung, dass zuvor die Synagoge abgerissen werde. So war die Gemeinde gezwungen, im September den Abbruch in Auftrag zu geben. Als neuer Kaufinteressent erschien die Industrie- und Handelskammer, deren Präsident zugleich Gauwirtschaftsberater war. Gemeinsam zwangen Kammer, Stadt, Regierungspräsident und Gauleitung die jüdische Gemeinde schließlich, das Grundstück zu einem Spottpreis zu verkaufen – an die IHK, die dort ihr neues Kammergebäude errichten wollte.

Am 23. Oktober nahm die Gemeinde mit einem letzten Gottesdienst Abschied von der Synagoge. Als Abgesandter der Hamburger Jüdischen Gemeinde, die zu dieser Zeit bereits die Lüneburger Juden mit betreute, sprach ihr Vorsitzender Bernhard David. Er versuchte tapfer, trotz der deprimierenden Situation nach vorne zu schauen: „Noch klingt in uns das Torawort vom ‚Anfang’, und so fällt es uns schwer, hier einen Abschluß mitzuerleben. Fällt aber die Gemeinde weg, so hat der einzelne um so höhere Verpflichtung, sich als aufrechter Jude zu fühlen. […] Das Ende dieses Hauses bedeutet den Anfang für die Jugend draußen; mögen sie dort ebenso viel Liebe, Brüderlichkeit und Frieden finden, wie dieses Haus sie dem alten Geschlechte gegeben hat.“

Kurz danach begann die Baufirma Toltzin gemeinsam mit Angehörigen der Technischen Nothilfe (TeNo), die 44 Jahre alte, bestens erhaltenen Lüneburger Synagoge abzureißen. Als erstes demolierten die Arbeiter das Innere des Gebäudes.

 

Gebäude

Die Lüneburger Synagoge, erbaut 1894. Museum Lüneburg

Wie in München im Alten Rathaus, so trafen sich am Abend des 9. November 1938 auch im Lüneburger Schützenhaus die Nationalsozialisten zur alljährlichen Gedenkfeier für die „Märtyrer der Bewegung“ von 1923. Ohnehin eine der am stärksten ideologisch aufgeladenen Feiern im NS-Jahreslauf, wurde sie dieses Jahr weiter angeheizt durch die massive antisemitische Propaganda der ersten Novembertage. Noch vor Mitternacht kamen die fatalen Nachrichten in Lüneburg an: Ein Redner teilte mit, der Diplomat vom Rath sei nach dem Attentat von Herschel Grynszpan in Paris seinen Verletzungen erlegen, „worauf eine allgemeine Empörung in der Versammlung entstand“, wie später ein Teilnehmer berichtete.

Im München gab Propagandaminister Goebbels nach einer kurzen, intensiven Unterhaltung mit Adolf Hitler daraufhin in seiner Rede um 22 Uhr die Parole aus, dass judenfeindliche Aktionen zu erwarten seien. Die Partei solle sie weder vorbereiten noch organisieren, „soweit sie spontan entstünden, sei ihnen aber auch nicht entgegenzutreten.“ Dies wurde von allen Anwesenden als inoffizielle Aufforderung zum Losschlagen angesehen, ohne dass die Partei nach außen hin als Urheber in Erscheinung treten sollte.

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Bisher konnte nicht ermittelt werden, ob an diesem Abend auch Funktionäre aus dem Gau Osthannover in München zugegen waren. Die Sekretärin des Gauleiters Otto Telschow sagte nach dem Krieg aus, ihr Chef habe von den zu erwartenden Ausschreitungen nachts am Telefon erfahren, sei aber selbst nicht beteiligt gewesen. Er habe sogar erklärt, er wolle „jedes begangene Verbrechen ohne Rücksicht auf die Person“ melden und eine Bestrafung des Täters verlangen. Obwohl diese Aussage über den rabiaten Antisemiten und „Alten Kämpfer“ Telschow extrem unglaubwürdig ist, wird aus ihr zweierlei deutlich: Der Gauleiter war am 9. November nicht in München, erfuhr aber per Telefon vom Beginn des Pogroms.

Dies passt zur Überlieferung, dass die in München anwesenden Partei- und SA-Führer nach Goebbels’ Ansprache in alle Richtungen telefonierten und so das Signal für den Beginn der reichsweiten Gewalttaten gegen Juden und ihr Eigentum gaben. Auch unter Lüneburger Nationalsozialisten breitete sich die Aufforderung schnell aus – sei es über den Gauleiter, sei es über SA-Kanäle. Schon vor Mitternacht griffen NS-Aktivisten die letzten beiden noch in jüdischem Besitz befindlichen Geschäfte an: Das Warenhaus „Gubi“ am Markt, Ecke Bäckerstraße, und das in Sichtweite davon gelegene Schuh- und Kleidungsgeschäft Schickler in der Bardowickerstraße. Die Täter zerschlugen die Fensterscheiben, warfen massenweise Waren auf die Straße und zündeten Schaufensterpuppen und anderes Inventar an. Begleitet wurde dies laut späterer Aussage des Polizisten Fricke „von lautem Johlen einer größeren Zahl von Menschen.“ Harry und Else Schickler, die oberhalb ihres Ladens wohnten, flohen mit ihrer fünfjährigen Tochter Marga vor den Flammen in den Hof und drängten sich dort aneinander. Die Nachbarn hörten, wie Frau Schickler verzweifelt schrie: „Bitte! Bitte! Rettet mein Kind, rettet mein Kind!“ Nachbarn löschten schließlich das Feuer, das auf weitere Häuser überzugreifen drohte.

Vermutlich sind die Täter auch zu Häusern anderer noch in Lüneburg lebender jüdischer Familien gezogen und haben dort Scheiben eingeworfen oder es zumindest versucht. Das Haus von Dr. Nathan Albert Ransohoff und seiner Frau, nur wenige hunderte Meter entfernt, wurde in dieser Nacht verwüstet, wie sich die Nichte des jüdischen Arztes später erinnerte: „Die Vorderzimmer seines Hauses konnte er kaum betreten, weil ihm Steine in die Fenster geworfen wurden.“

Bekannt ist aus Spruchkammerverfahren der Nachkriegszeit, dass Oberbür­ger­meister Wilhelm Wetzel noch vor den tatsächlichen Ausschreitungen die Polizei anwies, bei eventuellen Angriffen auf jüdische Geschäfte und Personen nicht einzugreifen. Der junge Parteikarrierist Wetzel, der zugleich NSDAP-Gauamtsleiter für Kommunalpolitik war, hat also in Lüneburg als einer der ersten führenden Nationalsozialisten von den geplanten Pogromen gewusst und – gemäß Parteilinie – dafür gesorgt, dass von staatlicher Seite den Juden keinerlei Schutz und Hilfe gewährt wurde. Möglicherweise war er auch derjenige, der den Startschuss für die Gewalttaten in Lüneburg gegeben hat.

Zwei andere hohe Lüneburger NS-Funktionäre hatten dabei allerdings auch ihre Hand mit im Spiel: Kreisleiter Adolf Heincke und Gauschrifttumsbeauftragter Wilhelm Marquardt. Letzterer wurde später von einem NS-Gegner beschuldigt, „Leiter des Judenpogroms“ in Lüneburg gewesen zu sein. Die beiden wohnten Tür an Tür in der Wandrahmstraße am Rande der Altstadt, unweit von Gauleitung und Synagoge. Beide sagten nach dem Krieg in ihren Spruchkammerverfahren aus, dass sie nach ihrer Rückkehr von den Feiern zum 9. November gegen Mitternacht einen ausgedehnten Spaziergang durch die Innenstadt unternahmen. Beide waren telefonisch informiert worden, dass im ganzen Reich und so auch in Lüneburg jüdische Geschäfte demoliert würden, und dass sie zum Markt kommen sollten. Sie gingen in Zivil, angeblich nur als Privatleute, die sich noch die Beine vertreten wollten. Am Markt sahen sie bei den (nahe beieinanderliegenden) Geschäften Gubi und Schickler die eingeschlagenen Fenster und die Verwüstungen. Heincke ging zu der in der Nähe liegenden Dienststelle der Polizei und erfuhr, dass sie Anweisung habe, nicht einzugreifen.

Auf dem Marktplatz hatte sich inzwischen in Zusammenhang mit den Angriffen eine Ansammlung von Menschen gebildet, vermutlich hauptsächlich alkoholisierte und in Krawallstimmung befindliche SA-Männer und Parteimitglieder, die von der oben erwähnten NS-Gedenkfeier gekommen waren und sich sofort an ihr zerstörerisches Werk gemacht hatten.

Bis heute ist nicht ganz klar, was sich in dieser Nacht an der Lüneburger Synagoge abgespielt hat. Der erzwungene Abriss hatte im Inneren schon kurz zuvor begonnen, war aber nach außen noch nicht sichtbar. Ernst Less, der am 6. November 1938 die Stadt verließ, erinnerte sich, dass der Abbruchunternehmer zu diesem Zeitpunkt damit begonnen hatte, Fenster herauszunehmen. Die Hülle des Gebäudes, das einmal die Synagoge gewesen war, stand jetzt für jedermann offen da.

Diese Situation erzeugte bei den noch in der Stadt lebenden Juden Angst vor Zerstörungen und Plünderungen. Hinzu kamen die Nachrichten über erste Pogrome in anderen Teilen des Reichs schon in den Tagen vor der „Kristallnacht“. In ihrer Not wandten Adolf Schickler, Leopold Less und Sally Baden sich an den Lüneburger Spediteur Wille, dessen Geschäft sich in der Nähe der Synagoge befand, und fragten ihn, ob er für sie die Inneneinrichtung aus der Synagoge herausschaffen, auf einen Transporter laden und am nächsten Tag nach Harburg transportieren könne. Daraufhin, so Wille mehr als fünfzig Jahr später, habe er die Sachen mit dem Möbellastzug in sein Lager gebracht. „Die sakralen Sachen haben die Juden, soviel ich weiß, selbst weggetragen zu sich nach Hause, oder meine Leute haben die vielleicht am nächsten Tag weggebracht.“ Der Transport am nächsten Tag sei jedoch nicht zustandegekommen. Wille ließ die Sachen, „alles erstklassige Hölzer“, noch längere Zeit in seinem Lager liegen und verkaufte sie später an eine Lüneburger Tischlerei, wo sie zu Fensterrahmen umgearbeitet wurden.

Die Befürchtungen der jüdischen Gemeinde waren nicht unbegründet: Mehrere Zeitzeugenberichte und Darstellungen erwähnen, dass tatsächlich in der Pogromnacht ein „Schlägertrupp aus den Parteiniederungen“ versuchte, im Innenraum der Synagoge Feuer zu legen. Die Täter hätten indessen vom Abbrennen abgesehen, als man sie darauf hingewiesen habe, dass das Gebäude „nicht mehr jüdisch“ sei. Marquardt und Heincke gaben übereinstimmend zu Protokoll, dass sie an der Synagoge nichts gesehen hätten. Ob in dieser Nacht wirklich Fenster eingeschlagen und hölzerne Fensterrahmen in Brand gesteckt wurden, wie später zum Teil berichtet wurde, muss also bezweifelt werden. Festzuhalten bleibt: Die Lüneburger Synagoge stand am 9. November noch, sie wurde in dieser Nacht nicht zerstört, sondern erst im Laufe der nächsten Wochen wie geplant abgerissen.

Den einzigen anderen Ort der jüdischen Gemeinde jedoch scheint es in der Nacht oder zumindest in diesen Tagen direkt getroffen zu haben: Auf Anfrage gab zumindest 1947 der Rat der Stadt die Auskunft, der Friedhof sei 1938 „durch eine Aktion der SA bzw. der NSDAP“ verwüstet worden. Der frühere Stadtgärtner schrieb 1948 in einem Leserbrief: „[Der Friedhof] dürfte bei den antijüdischen Maßnahmen im November 1938 zerstört worden sein.“ In beiden Fällen muss allerdings bedacht werden, dass die Auskunft mit der Absicht gegeben wurde, die eigene Schuld an der Zerstörung des Friedhofs von sich zu weisen und stattdessen die üblichen Verdächtigen – gewaltbereite SA-Männer – zu benennen. Möglicherweise blieben Teile des Friedhofs 1938 noch verschont, denn im September 1939 wurde hier das letzte Mal ein Mitglied der Gemeinde beigesetzt, die 84-jährige Witwe Betty Dublon. 1940 dann ließ die Stadt endgültig „den Platz säubern“, die Reste der Grabsteine landeten in einer Ecke des Geländes.

Aber zurück zur Nacht des 9./10. November: Nach den Gewalttaten in der Innenstadt saßen die Beteiligten noch stundenlang zusammen im Ratskeller. Aus den Spruchkammerakten geht hervor, dass auf jeden Fall Kreisleiter Adolf Heincke, Gaupropapagandist Marquardt, SA-Standartenführer Thurm und Kreisgeschäftsführer Holste dabei waren. Die letzten beiden scheinen zu den eigentlichen Aktivisten des Pogroms gehört zu haben. Wie der wachhabende Polizeimeister Fricke nach dem Krieg berichtete, sei Holste nach dieser durchzechten Nacht in angetrunkenem Zustand noch weiter zum Haus der jüdischen Familie Lengel in der westlichen Altstadt gezogen, um auch dort die Fensterscheiben zu zertrümmern. Er habe sich jedoch im Fenster geirrt und sei in eine Schlägerei geraten, bei der er verletzt worden sei. Diese Verletzung habe ihn am nächsten Tag für jeden erkennbar als einen der Täter der „Kristallnacht“ ausgewiesen, und er habe sich auch stolz dazu bekannt: „Das war unsere Aktion“.

Die meisten Lüneburger erfuhren erst am Morgen danach, was geschehen war. Der Sozialdemokrat Heino Grabow sah auf seinem Weg zur Arbeit morgens um halb fünf, wie die alte Frau Schickler auf der mit Glassplittern übersäten Straße die Schuhe mühsam wieder in ihr verwüstetes Geschäft trug. Alleingelassen von Polizei und Feuerwehr, anscheinend auch ohne Hilfe von Nachbarn, standen die Familien Schickler und Jacobson am 10. November vor den Trümmern ihrer Existenz. Fünfzig Jahre später erinnerte sich eine Lüneburgerin an das furchtbare Bild, das sich in der Bardowicker Straße bot: „Frau Schickler stand im Schaufenster und sammelte die Scherben von den Schuhen. Dabei flossen ihr die Tränen so schrecklich, daß mich die Situation schon als Kind erschreckte und für immer haften blieb.“ Andere Zeitzeugen erzählten, wie der alte Herr Schickler vor dem Geschäft die Scherben zusammenfegte: „Er war ein feiner alter Herr, der ja auch im Ersten Weltkrieg ausgezeichnet worden war. Ich dachte: Der hat die Kristallnacht bestimmt nicht verdient.“

Geschäft

Nach der Arisierung: Bürobedarf Kollmann, Bardowicker Straße 4, 1940er Jahre. Museum Lüneburg

Eine Zeitzeugin beschreibt siebzig Jahre später die Situation im Kaufhaus Gubi – und die Reaktion des Inhabers, sein verzweifeltes Beharren auf den patriotischen Verdiensten der Familie: „Meine Schwester […] erinnert sich, extra zum Anschauen der zerstörten Schaufenster bei Jacobsons in die Innenstadt gelaufen zu sein. Auch meine Mutter hat die Zerstörung gesehen, dazu aber noch Herrn Jacobsons Reaktion darauf: Seine und seiner Söhne Verdienstorden aus dem Ersten Weltkrieg hatte er ins Schaufenster gelegt und darüber das Bild seines zweiten, für Deutschland gefallenen Sohnes gehängt.“ Da Arnold Jacobson aber schon 1933 gestorben war, legte vermutlich seine Witwe Klara oder sein Sohn Henry die Bilder und Orden ins Schaufenster.

Geschäft

Wäsche- und Aussteuergeschäft Jacobson am Markt. Museum Lüneburg

Auch in den Lüneburger Schulen wurden die Ereignisse der Nacht am 10. November 1938 zum Thema: Einige Kinder waren auf dem Schulweg bei Schickler und Gubi länger stehengeblieben und sammelten zwischen den Scherben ein paar Bonbons auf. „Da kamen wir zu spät in der Schule an, und dann fragte der Lehrer: ‚Wo kommt Ihr jetzt erst her, was habt Ihr gemacht? Was hast Du da?’ – ‚Bonschen’- ‚Oh, ein deutscher Junge isst keine Judenbonschen!’ Zack, gab’s wieder eine.“ In der 10. Klasse des Lyzeums widersprachen zwei Schülerinnen ihrem Lehrer, der die Pogrome als gerechte Strafe für die Juden darstellte. Sie nahmen die Juden in Schutz, woraufhin ihr Lehrer sie als „Vaterlandsverräter“ dem Direktor meldete. Der redete ihnen ins Gewissen: „Ihr könnt nicht mehr alles sagen, was ihr denkt.“

Die „Lüneburgschen Anzeigen“, die in den Tagen und Wochen davor mit zahllosen Hetzartikeln gegen Juden Stimmung gemacht hatten, druckten in der am 10. November abends erscheinenden Zeitung eine kurze Notiz unter dem Titel „Scherbengericht“, die auf zynische Weise die Ereignisse zusammenfasste und die Fakten verdrehte – genauso, wie es die NS-Presseanweisungen vorsahen:

Zeitung

Lüneburgsche Anzeigen, 10. November 1938

„Die Trauerkunde vom Ableben des deutschen Botschaftsrats Pg. vom Rath… hat auch in Lüneburg berechtigte und begreifliche Empörung ausgelöst. Unsere sonst so ruhigen Niedersachsen haben dieser Empörung Ausdruck verliehen durch restlose Zerstörung der Schaufenster der beiden jüdischen Geschäfte Gubi und Schickler. Die Synagoge entging nur dem gleichen Schicksal, weil sie vor acht Tagen auf Abbruch verkauft worden ist, also in kurzer Zeit von der Bildfläche verschwindet. Der Inhaber der Gubi, der Jude Jacobson, wurde von der Polizei in Schutzhaft genommen, um ihn vor der Wut der empörten Menge zu retten. Sein Wagen wurde sichergestellt. In seinem Büro wurde ein Revolver gefunden und beschlagnahmt. … Es sei ausdrücklich festgestellt, daß die Bevölkerung bei dieser Demonstration die größte Disziplin gewahrt hat. Es ist ganz selbstverständlich, daß aus beiden Geschäften nicht ein Hosenknopf oder Schnürsenkel entwendet worden ist.“

Was die Zeitung nicht erwähnte: Nicht nur „der Jude Jacobson“, sondern insgesamt elf jüdische Männer aus Lüneburg wurden am 10. November festgenommen und ins Landgerichtsgefängnis eingeliefert. Es waren der Apotheker Herbert Goetz, der Händler Albert Horwitz, die Angestellten Werner Hirsch und Siegbert Meyer, die Kaufleute Max Hesse, Harry Jacobson, Harry und Adolf Schickler, die Rentner Leopold Less und Hirsch Lengel sowie der Arzt Dr. Albert Ransohoff.

Während der 71-jährige Adolf Schickler nach zwei Tagen aus dem Gerichtsgefängnis wieder entlassen wurde (möglicherweise war er vorübergehend auch in das KZ Sachsenhausen eingewiesen worden),  vermutlich unter der Auflage, so schnell wie möglich die „Arisierung“ des Geschäfts umzusetzen, brachte die Gestapo die anderen zehn Festgenommenen am 11. November ins KZ Sachsenhausen.

Dort erwarteten sie wie alle der rund 30.000 Novemberpogrom-Häftlinge grausame Schikanen, Misshandlungen und brutale Einschüchterung. Ziel der KZ-Haft war es, möglichst viele jüdische Familien zum sofortigen Auswandern und zum schnellen „Verkauf“ ihres Eigentums zu bewegen. Während die Männer eingesperrt waren, kämpften ihre Familien verzweifelt um Visa, Schiffspassagen und die Zahlung der horrenden Zwangsabgaben, die den Juden nach dem Novemberpogrom auferlegt wurden. Je nach individueller Situation entließ die SS die Häftlinge nach wenigen Tagen oder erst nach mehreren Wochen oder sogar Monaten.

Als erster der Lüneburger Häftlinge kam schon am 14. November der damals 65-jährige ehemalige Produktenhändler Hirsch Lengel frei, dessen seit 1904 bestehendes Geschäft 1937 geschlossen worden war. Der Grund für die kurze Haftzeit war neben seinem Alter vielleicht, dass die Verhandlungen über den Verkauf seines Grundstücks in der Salzbrückerstraße kurz vor dem Abschluss standen und die Familie schon länger konkrete Auswanderungspläne hatte. Die „Arisierung“ des Hauses zog sich aber schließlich bis Sommer 1940 hin. Das Ehepaar Lengel war bis dahin vollkommen mittellos, eine Auswanderung zu ihren Kindern in die USA wurde unmöglich. Im Februar 1942 mussten sie in ein Elendsquartier am Rande der Stadt ziehen. Von dort wurden Bertha und Hirsch Lengel im Juli 1942 deportiert, zunächst nach Theresienstadt und dann weiter ins Vernichtungslager Treblinka.

Mann

Hirsch Lengel, 1873-1942. Privatbesitz Michael Lengel

Wenige Tage später wurde der Kaufmann Henry Jacobson entlassen (siehe ausführliche Biografie). Etwa Anfang Dezember folgte ihm sein Angestellter Siegbert Meyer, der erst seit kurzem im Kaufhaus Gubi arbeitete. Er emigrierte am 13.12.1938 in die USA, seine Frau kam wenige Monate später mit beiden Kindern nach.

Auch Kaufmann Harry Schickler musste bis Anfang Dezember auf seine Entlassung warten. Vermutlich sollte so verstärkt Druck auf seinen schon nach wenigen Tagen entlassenen Vater Adolf Schickler ausgeübt werden, den „Verkauf“ des Geschäfts und Hauses zu betreiben.

Obwohl SD-Chef Reinhard Heydrich am 16. November die Entlassung der über 60-jährigen Novemberpogromhäftlinge angeordnet hatte, konnten die Lüneburger Nathan Albert Ransohoff und Leopold Less, beide 66, das Konzentrationslager erst im Dezember 1938 hinter sich lassen. (Siehe ausführliche Biografien)

Mitte Dezember war die furchtbare Zeit in Sachsenhausen auch für den Viehhändler Albert Horwitz vorbei. Offenbar war er dort brutal zur zügigen „Arisierung“ seines Guthabens gedrängt worden. Zurück in Lüneburg, unterschrieb er schon nach wenigen Tagen den Vertrag über den erzwungenen Verkauf seines Hauses und Grundstücks Auf dem Kauf. Eine geplante Auswanderung kam nicht mehr zustande. Horwitz musste ab 1940 in Lüneburg Zwangsarbeit leisten und mit seiner nichtjüdischen Frau Anni in wechselnden Elendsquartieren wohnen. Der Schutz durch diese „Mischehe“ war keinesfalls sicher; Albert Horwitz lebte in dauernder Angst vor Festnahme, Schikanen und bis zuletzt noch drohender Deportation.

Als nächster kam im Januar 1939 der Kaufmann Max Hesse frei. Er war der Ex-Schwiegersohn von Hirsch Lengel. Die 1934 geschlossene Ehe mit dessen Tochter Toni war im Januar 1938 geschieden worden. Max Hesse wohnte eigentlich nicht mehr in Lüneburg, er war nur zufällig am 9. November zu Besuch. Nach seiner Entlassung aus dem KZ zog er nach Köln und wurde von dort 1941 ins Ghetto Lodz/Litzmannstadt deportiert, wo er ums Leben kam.

Anfang 1939 konnte auch der Angestellte Werner Hirsch endlich das Lager verlassen. Als Einwanderer aus Galizien hatte er einige Jahre in der Altenbrückertorstraße 5 gewohnt, in dem die Familie Meer bis zu ihrer Emigration 1937 ein Textilhaus betrieb. Möglicherweise war er einer ihrer früheren Angestellten. Am 24.2.1939 emigrierte er von Lüneburg aus in die USA.

Das Ehepaar Baden-Behr war während des Pogroms nicht in Lüneburg, sondern zur Beerdigung von Frau Behrs Mutter in Woldenberg/Neumark. Selbst bis dorthin reichte der lange Arm der Gestapo: Sally Baden wurde in Woldenberg verhaftet und in das KZ Sachsenhausen verschleppt. Nach Angaben der Familie kam er erst im Februar oder März 1939 wieder nach Hause. Die Kinder setzten währenddessen alle Hebel in Bewegung, um die Auswanderung ihrer Eltern zu organisieren. Während die Emigration nach Palästina am erforderlichen „Kapitalistenvisum“ von 1000 Pfund scheiterte, ergatterte das Ehepaar schließlich eine Erlaubnis zur Ausreise nach Australien. Wegen ihrer schwierigen finanziellen Lage verzögerten sich aber die Vorbereitungen für die Überfahrt. Am 5. September sollten sie über England nach Australien reisen. Der Kriegsausbruch am 1. September 1939 verhinderte dies – Lucie Baden-Behr und Sally Baden saßen in Lüneburg von nun an in der Falle. Sie mussten innerhalb Lüneburgs mehrfach umziehen und wurden am 6. Dezember 1941 über Hamburg nach Riga deportiert. Herr Baden starb dort schon nach kurzer Zeit, seine Frau 1942 in Minsk.

Familie

Schuhhaus Baden-Behr, 1934. Links Sally Baden, in der Mitte hinten Arnold Behr, ganz rechts Lucie Baden-Behr. Privatbesitz Familie Behr

Schließlich muss noch ein anderer Lüneburger erwähnt werden, der nicht zu den Novemberpogrom-Häftlingen gehörte, aber nach längerer Haft auch im Zuge der Entlassungen dieser Häftlingsgruppe freikam: Hirsch Lengels Sohn, der den Nationalsozialisten als Jude, Arbeitersportler und Mitglied im sozialdemokra­tischen Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold verhasst war. Er wurde schon im April 1937 in Lüneburg festgenommen, nachdem er einen „Stürmer“-Verkäufer beschimpft hatte, der vor dem Kaufhaus Gubi die Kunden belästigte. Man brachte ihn zunächst ins KZ Dachau, dann ins KZ Buchenwald. Nach seiner Entlassung Ende 1938 kam er nach Lüneburg zurück, wo die letzten Mitglieder seiner Familie verzweifelt versuchten, ihre Auswanderung zu organisieren. Nur Jakob schaffte es am Ende: Im Juni 1939 konnte er dank eines speziellen Rettungsprogramms des Central British Fund for European Jewry ins „Kitchener Camp“ nach England ausreisen und von dort im Mai 1940 weiter in die USA emigrieren. Seine Eltern und vier seiner Geschwister wurden Opfer der Judenvernichtung.

Mann

Passfoto von Jakob Lengel kurz nach seiner Entlassung aus dem KZ Buchenwald, Anfang 1939. Privatbesitz Familie Lengel

Geschäft

Schuh- und Bekleidungsgeschäft Schickler, Bardowicker Straße 4, 1930er Jahre. Museum Lüneburg

Heute wird allgemein angenommen, dass die Bezeichnung „Reichskristallnacht“ nicht von der NSDAP eingeführt wurde, sondern sich, vermutlich in Berlin, spontan entwickelte. Historiker vermuten, dass die Zusammenfügung des Begriffs „Kristallnacht“ mit dem Begriff „Reichs…“ eine ironische Distanzierung von der NS-Propaganda enthält: In der Bevölkerung hatte man sofort durchschaut, dass es sich hier keinesfalls um spontanen Volkszorn, sondern um einen reichsweit gesteuerten Angriff auf jüdisches Leben und Eigentum gehandelt hatte, eben eine „Reichskristallnacht“ analog zu NS-Begriffen wie „Reichserntedankfest“ oder „Reichssportfest“. Nach und nach setzte sich diese Bezeichnung durch.

Und was hat das mit Lüneburg zu tun? Zufällig ist die einzige erhaltene Quelle dafür, dass der Begriff „Reichskristallnacht“ sich tatsächlich schon in der NS-Zeit durchgesetzt hatte, die überlieferte Ton-Aufzeichnung einer Rede, die im Juli 1939 auf dem Gautag in Lüneburg gehalten wurde. Prof. Wilhelm Börger, aus Berlin angereister Ministerialdirektor im Reichsarbeitsministerium, sprach über den „Daseinskampf des deutschen Volkes, das jetzt endlich zu den Urkräften seiner Seele und seines Blutes zurückgefunden hat“. Dabei kam er laut des erhaltenen Tondokuments auch auf die Vorgänge im vorangegangenen Jahr zu sprechen. „‚Nach der Reichskristallnacht voriges Jahr, am 11. November [sic]… – sehen Sie, also die Sache geht als Reichskristallnacht in die Geschichte ein (Beifall, Gelächter) – , Sie sehn, das ist humoristisch erhoben, nicht wahr, schön.“

Die Novemberpogrome hatten in Lüneburg den von den Nationalsozialisten beabsichtigten Effekt. „Nach dem ‚öffentlichen’ Novemberpogrom 1938 erhielt die Verfolgung einen neuen Charakter: Nun begann die ‚stille’ Eliminierung der Juden.“ (Carola Jüllig). Wie oben beschrieben, blieb den jüdischen Familien angesichts der bis dahin nicht vorstellbaren Gewalterfahrungen sowohl zu Hause als auch im KZ in den nächsten Monaten nichts anderes übrig, als den als Verkauf getarnten Raub ihres Eigentums hinzunehmen. Nach Zahlung der „Judenvermögensabgabe“ und der „Reichsfluchtsteuer“ waren die Auswanderungswilligen zumeist vollkommen mittellos. Vielen von ihnen gelang es dank Unterstützung von Verwandten und Freunden im Ausland trotzdem, noch rechtzeitig aus Deutschland zu fliehen.

Bis 1940 war fast das gesamte jüdische Eigentum in Lüneburg „arisiert“, ein Jahr später wurden auch die letzten Vermögenswerte und Konten beschlagnahmt. Bei Kriegsbeginn lebten noch 16 Juden in der Stadt, von denen bis 1941 nur Einzelne herauskamen. Die wenigen Verbliebenen mussten in immer kleinere, unzumutbare Wohnungen ziehen. Im Dezember 1941 wurden Sara Lengel und ihre Schwester Toni Hesse sowie Thekla Marcus und das Ehepaar Baden-Behr nach Riga deportiert. Nach Theresienstadt verschleppte man im Sommer 1942 Else Horwitz und das Ehepaar Lengel, im Mai 1943 das Ehepar Schickler und im Januar 1944 Christine Hinsel. Mit Ausnahme von Christine Hinsel starben sie alle in Ghettos und Vernichtungslagern. Nur zwei Lüneburger Juden überlebten die NS-Zeit in ihrer Stadt: Alice Schmidt geb. Horwitz und ihr Bruder Albert Horwitz, die beide in „Mischehen“ lebten.

Nach dem Abriss der Synagoge Ende 1938 lagen noch jahrelang Trümmer auf dem Grundstück. Die IHK wollte das Gelände nicht länger nutzen und überließ es der Stadt Lüneburg, die dort schließlich einen Kinderspielplatz baute. Die „Lüneburgschen Anzeigen“ kommentierten: „Dort, wo früher der Judentempel unseligen Angedenkens stand, tummeln sich heute frohe Kinder im Sonnenschein! Lüneburg ist um einen neuen, herrlichen Kinderspielplatz reicher. […] Früher Freitempel für jüdische Ausbeuter, heute Tummel- und Sonnenplatz für frohe, gesunde Kinder! Wo könnte sich der große Wandel in deutschen Landen eindrucksvoller zeigen als hier?“

Bei Kriegsende gab es keine jüdische Gemeinde mehr in Lüneburg. Die Synagoge und der jüdische Friedhof waren zerstört. Die meisten aus Lüneburg stammenden Juden waren aus Deutschland geflohen. Von den Deportierten kehrte kaum jemand zurück.

In den späten 1940er Jahren begannen wie überall die Versuche der Überlebenden und der Nachfahren von Getöteten, das geraubte Eigentum zurückzubekommen und Entschädigung für das Erlittene zu erhalten. Es war ein bis in die 1960er Jahre reichender mühsamer Prozess, den die zuständigen Behörden in Lüneburg und anderswo oft verzögerten und behinderten. In den meisten Fällen ließen sich die Geschädigten am Ende auf einen Vergleich ein, weil sie in hohem Alter und bei nachlassender Gesundheit nicht noch länger prozessieren wollten. Viele „Arisierer“ der dreißiger Jahre zahlten erneut, meist relativ niedrige Summen, und blieben so Eigentümer. Zum Teil sind die damals erworbenen Immobilien bis heute in ihrem Familienbesitz. So haben die Vorgänge rund um die „Reichskristallnacht“ in Lüneburg auf lange Sicht dazu beigetragen, das von den Nationalsozialisten begangene Unrecht zu zementieren.

Zeitung

Lüneburgsche Anzeigen, 18. Juli 1941.

Der Kaufmann Arnold Jacobson war in den 1880er Jahren aus Mecklenburg nach Lüneburg gekommen und hatte dort in die große Familie des Bankiers Marcus Heinemann eingeheiratet. Arnold und Klara Jaobson bauten gemeinsam ein gutgehendes Wäsche- und Kleidungsgeschäft auf, das in bester Lage am Marktplatz schon bald weit über Lüneburg hinaus bekannt war. Als Henry Jacobson 1930 mit seiner Frau Gerda das Geschäft übernahm, änderte er dessen Charakter von Grund auf. Nach dem Vorbild von Woolworth wurde das große Haus am Markt nun ein modernes „Kleinpreisgeschäft“ namens Gubi (von „gut und billig“). Noch Jahrzehnte später erinnerten sich Lüneburger, dort wegen des vielfältigen Angebots und der vielen Sonderangebote besonders gern eingekauft zu haben.

Die Nationalsozialisten pflegten von Anfang an einen besonderen Hass auf die aus den USA importierten Kleinpreisgeschäfte, zumal auf solche mit jüdischen Eigentümern. Mit allen Mitteln versuchten sie seit 1933, die Jacobsons zum Aufgeben zu bewegen. Erhaltene Beschwerdebriefe Henry Jacobsons zeigen, dass immer wieder Boykottaktionen stattfanden, die Schaufenster mit antisemitischen Plakaten beklebt wurden und SA-Männer vor dem Eingang einkaufswillige Kunden schikanierten. Kaum überraschend, richtete sich die Gewalt der Pogromnacht denn auch als erstes gegen Gubi: Die NS-Aktivisten zerstörten alle Fenster des großen Gebäudes und warfen massenhaft Waren, darunter auch Lebensmittel, von oben auf die Straße. Die Familie Jacobson war angesichts der gegen sie gerichteten Angriffe schon 1936 nach Hamburg umgezogen und wohnte nicht mehr in Lüneburg, sodass sie selbst in der Nacht nicht Ziel der Gewalt wurde.

Nach seiner Festnahme setzte man Henry Jacobson im KZ massiv unter Druck, so schnell wie möglich sein Eigentum zu verkaufen und das Land zu verlassen. Seine als Professorin in den USA lebende Schwester Anna, die bereits vor dem Pogrom die Auswanderung ihrer ganzen Familie vorbereitet hatte, organisierte ihm in kürzester Zeit US-Einreisepapiere. Jacobson überschrieb sein gesamtes Eigentum auf seine Frau Gerda, die sich mit aller Kraft für seine Freilassung eingesetzt hatte, und musste dann „direkt vom KZ aus zum Schiff“. Am 23. November 1938 fuhr er von Hamburg nach New York, gemeinsam mit der damals 10-jährigen Tochter Inge. Seine Frau kümmerte sich noch um die Abwicklung des Zwangsverkaufs und wanderte wenig später mit dem Rest der Familie aus. Das Geschäft wurde mit allem Inventar weit unter Wert verkauft. Wie bei allen „Arisierungen“ konnten die jüdischen Eigentümer nur über einen minimalen Teil des Kaufpreises verfügen.

Ehepaar

Henry und Gerda Jacobson 1949 in New York. Privatbesitz Helga Schuessler

Seit sie 1906 aus Nienburg nach Lüneburg gekommen waren, wohnten Adolf und Hulda Schickler in der Bardowicker Straße und betrieben dort ein allseits beliebtes Fachgeschäft für Schuhe und Herrenbekleidung. Der gesellschaftlich sehr aktive Adolf Schickler war begeisterter Turner im MTV, und auch sein Sohn Harry, der 1928 das Geschäft übernahm, engagierte sich in diesem bürgerlichen Sportverein. Als Vorsteher der jüdischen Gemeinde nahm Adolf Schickler sein Judentum bis zuletzt sehr ernst: Hulda Schickler führte einen koscheren Haushalt, die Kinder erhielten Religionsunterricht von einem Lehrer aus Hamburg, und in den letzten Jahren der immer kleiner werdenden Gemeinde lud er regelmäßig Juden aus Hamburg ein, um die notwendigen zehn Männer für den Gottesdienst zusammenzubekommen.

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Zum Zeitpunkt des Novemberpogroms waren Harry Schicklers Brüder schon in die USA ausgewandert, seine Schwester und ihr Mann bereiteten ebenfalls die Emigration vor. Harry und seine Frau Else blieben so lange wie möglich gemeinsam mit den Eltern in Lüneburg und versuchten, gegen alle Widerstände das Geschäft weiterzuführen.

Nach dem Feuer in ihrem Haus am 9. November und der Festnahme ihres Mannes am folgenden Tag fand Else Schickler mit ihrer Tochter Marga in der kleinen Wohnung der Familie Less Unterschlupf. In dieser bedrängten Lage schaffte sie es, den „Verkauf“ des Geschäfts an einen Schreibwarenhändler voranzutreiben und zugleich mit Hilfe von Verwandten in den USA die Ausreise ihres im KZ festgehaltenen Mannes zu organisieren. In der Familie wurde später erzählt, sie habe die Schuhgrößen verschiedener Nazi-Funktionäre erfragt und versucht, sie mit „Geschenken“ wie feinen Stiefeln und Regenmänteln aus dem Schicklerschen Laden für die Sache ihres Mannes zu gewinnen. Ihren Kindern sagte sie, der Vater sei im Krankenhaus. Die 14-jährige Tochter Edith begriff erst bei der Rückkehr ihres Vaters, was wirklich passiert war:

 „I will never forget what happened when I saw my father after he returned from Sachsenhausen. He was a small man, […] and he was even smaller, shrunk from hunger. My father was a sportsman, he could play tennis and play football and swim and so on. But he became smaller, and he had no hair; his hair was completely cut off. My father cried. He cried and cried. I had never seen him cry; men in Germany didn’t cry, but my father cried. I asked him when he came home from Sachsen­hausen, ‚Why are you crying, you’re home. All that happened is in the past.’ And then he said: ‚I’m crying for the people that are still there.’ My father, being so athletic, could tolerate the walking and marching in the camp. […] but the others who weren’t in such good physical condition didn’t fare as well.“

Eigentlich wollte die ganze Familie zusammen ausreisen, am Ende reichte das Geld jedoch nur für den Vater, der am stärksten gefährdet war. Im Januar 1939 emigrierte Harry Schickler allein nach New York, wohnte dort bei seinem Bruder und suchte sich sofort einen Job. Der war so schlecht bezahlt, dass er sich schließlich Geld leihen musste, um seine Frau und die Töchter nachzuholen. Die drei mussten nach der „Arisierung“ des Wohn- und Geschäftshauses im Januar 1939 in die Große Bäckerstraße 23 ziehen. Das Haus gehörte damals noch dem im Sumatra lebenden jüngsten Sohn von Marcus Heinemann und wurde von vielen jüdischen Familien als vorübergehende Bleibe genutzt. Erst im August 1939 konnten Ilse, Edith und Marga Schickler Deutschland verlassen, gerade noch rechtzeitig vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.

Auch die alten Schicklers scheinen in der ersten Zeit nach dem Novemberpogrom noch Pläne zur Auswanderung gehabt zu haben. Nach dem „Verkauf“ des Hauses und der Zahlung der Zwangsabgaben schrieb Adolf Schickler im März 1939 einen Brief an die Devisenstelle des Oberfinanzpräsidiums Hannover: „Ich bin 72 Jahre alt, meine Frau 70. Wenn es uns noch vergönnt sein sollte, werden wir zu unseren Kindern nach U.S.A. gehen.“ Es war ihnen nicht mehr vergönnt. Adolf Schickler, der letzte Vorsteher der Lüneburger jüdischen Gemeinde, musste gemeinsam mit seiner Frau Hulda bis zum bitteren Ende in Deutschland bleiben.

Mann Frau

Adolf und Hulda Schickler im September 1938. Geschichtswerkstatt Lüneburg

Mutter Tochter

Ilse Schickler und ihre Tochter Marga in Lüneburg im Sommer 1938. Privatbesitz Susan Rosenbaum-Greenberg

Der angesehene Nervenarzt Dr. Ransohoff wohnte seit 1921 mit seiner aus Dänemark stammenden Frau Hilma in Lüneburg. Zuvor hatten sie lange im Elsass gelebt, wo Ransohoff Direktor einer psychiatrischen Klinik war. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er jedoch als Deutscher aus dem Elsass vertrieben und musste noch einmal neu anfangen. Er arbeitete in Lüneburg zunächst in der Gesundheitsverwaltung und ab 1923 als selbstständiger Psychiater und Neurologe. Schon nach wenigen Jahren hatte er sich eine gutgehende Praxis aufgebaut und war zudem als Gutachter gefragt. Als Anhänger der Weimarer Republik engagierte er sich im Arbeiter-Samariter-Bund, in der Deutschen Demokratischen Partei und im Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens.

Durch das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ konnte er als Jude seit April 1933 nicht mehr als Gutachter arbeiten und verlor auch seine kassenärztliche Zulassung. Er musste seine Praxis aufgeben, kümmerte sich jedoch noch jahrelang um jüdische Patienten, zuletzt auch auf allgemeinärztlichem Gebiet. 1937 wurde ihm die Approbation entzogen. In der Nacht des 9./10. November 1938 warfen NS-Täter in seiner Wohnung am Altenbrückerdamm die Fensterscheiben ein, am nächsten Morgen folgte seine Festnahme. Einem unbestätigten Zeitzeugenbericht zufolge wurden Ransohoff durch Folterung die Barthaare ausgerissen; es ist unklar, ob sich dies auf den ersten Tag im Lüneburger Gefängnis oder auf die Zeit im KZ Sachsenhausen bezog. Als er am 5. Dezember nach fast vier Wochen voller Schikane und Schlägen zurückkam, befand eine Nachbarin, dass er wegen seines vollen roten Gesichts ja so erholt aussehe. Tatsächlich war dies jedoch eine Folge von Mangelernährung und brutaler Misshandlung.

Nach seiner Rückkehr musste Dr. Ransohoff sein Haus in Lüneburg verkaufen, um die schikanöse „Judenvermögensabgabe“ bezahlen zu können. Die Verhandlungen zogen sich bis zum Juli 1939 hin, als das Haus schließlich von der Standortverwaltung des Heeres übernommen wurde. Nach Abzug aller Zwangsabgaben waren die Ransohoffs fast ihres gesamten Vermögens beraubt. Gesundheitlich geschwächt und ohne nähere Angehörige im Ausland, gab es keine Chance mehr auf eine Auswanderung. Um wenigstens aus Lüneburg herauskommen zu können, musste das Ehepaar Ransohoff eine weitere Zahlung leisten und konnte dann nach Hamburg umziehen. Nach mehreren Umzügen gelang es ihnen schließlich, sich in ein dänisches Altenheim im Kreis Herzogtum Lauenburg zu retten, wo sie, geschützt durch Hilma Ransohoffs „arische“ Abstammung, gemeinsam das Ende des Krieges erlebten.

Mann

Dr. Nathan Albert Ransohoff, um 1900. Privatbesitz Dietrich Banse

Zehn Tage nach Albert Ransohoff wurde sein gleichaltriger Mithäftling Leopold Less aus dem KZ Sachsenhausen entlassen. Als er am 15. Dezember 1938 überraschend zu Hause in Lüneburg an die Tür klopfte, hielt ihn seine Frau zunächst für einen Bettler, weil er so furchtbar abgemagert und übel zugerichtet war. Dann jedoch war die Freude über seine Rückkehr groß, und als erstes schickten die Eltern ein erleichtertes Telegramm an ihre beiden Söhne in Kalifornien: „Vater zurückgekehrt. Herzliche Gruesse Eltern“.

In den folgenden Wochen musste sich Leopold Less – wie alle zurückgekehrten Novemberpogrom-Häftlinge – regelmäßig bei der Polizei melden, eine weitere Maßnahme des NS-Regimes zur anhaltenden Einschüchterung und Unterwerfung der Juden. Den Häftlingen wurde eingeschärft, kein Wort über ihre Erlebnisse im KZ zu sagen, und Leopold Less hielt sich daran.

Schon um 1900 war er als Textilhandelskaufmann nach Lüneburg gekommen und hatte dort nach der Heirat gemeinsam mit seiner Frau Anna 1904 eine Woll- und Weißwarenhandlung in der Großen Bäckerstraße übernommen. Das Ehepaar hatte drei Kinder. Herr Less war ein aktiver und respektierter Geschäftsmann, gehörte zum Vorstand der Synagogengemeinde und war fest verankert in der Gruppe der mittelständischen jüdischen Gewerbetreibenden.

Strasse

Weiß- und Wollwarengeschäft Leopold Less, Große Bäckerstraße 19, 1920er Jahre. Privatbesitz Margaret McQuillan

Der ältere Sohn Ernst studierte Jura und ließ sich 1931 im Haus der Eltern in Lüneburg als Rechtsanwalt nieder. Schon 1933 erhielt er Berufsverbot und arbeitete von da ab im elterlichen Betrieb mit. Der jüngere Sohn Walter wurde 1933 vom Lüneburger Gymnasium verwiesen, nachdem er sich unter Verweis auf das Schicksal seines Bruders geweigert hatte, die Hand zum Hitlergruß zu heben. Kurz danach wanderte der 16-Jährige allein nach San Francisco aus und arbeitete dort im Textilgeschäft seines Onkels.

Im September 1938 „verkaufte“ Leopold Less unter starkem Druck und weit unter Wert Geschäft und Wohnhaus an das SS-Mitglied Günter Koopmann. Das Ehepaar Less hatte sich zusichern lassen, noch bis zu ihrer Emigration in einem Teil ihrer früheren Wohnung als Mieter wohnen zu dürfen. Inzwischen waren alle drei Kinder emigriert. Die Eltern planten im Herbst 1939 die Auswanderung über England nach San Francisco. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs gab es jedoch vorerst keine Einreisevisa mehr für die USA. Die beiden verließen ihre Wohnung kaum noch, sie hatten alle ihre Ersparnisse aufgebraucht. Eine ehemalige Angestellte versorgte sie mit Lebensnotwendigem. Erst Anfang 1941 bekamen sie ein US-Einreisevisum. Am 17. Februar verließen Anna und Leopold Less Deutschland, in letzter Minute: Über Berlin, Moskau, die Mandschurei, Korea und Japan nahmen sie den langen und beschwerlichen Weg nach San Francisco. Dort wurden sie von ihren Kindern in Empfang genommen.

Anna und Leopold Less kurz nach ihrer Ankunft in Kalifornien, April 1941. Privatbesitz Margaret McQuillan

Fernschreiben

Telegramm zur Rückkehr von Leopold Less aus dem KZ Sachsenhausen, Dezember 1938. Privatbesitz Margaret McQuillan

Adolf Heincke war Kürschnermeister in Verden, Parteimitglied seit 1925, Träger des Goldenen Parteiabzeichens und Reichstagsabgeordneter im „Dritten Reich“. 1930 bis 1932 war er Kreisleiter in Verden, dann Gauwirtschaftsberater, 1937 Kreisleiter in Bremervörde und ab 1938 Kreisleiter in Lüneburg. In dieser Funktion war er Augenzeuge des Novemberpogroms in Lüneburg, möglicherweise auch einer der Initiatoren. 1939 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und kehrte Ende 1942 verwundet aus dem Krieg zurück. Danach war er bis 1945 Oberbereichsleiter in der Gauleitung Ost-Hannover.

Aufgrund seiner Parteiämter fiel er nach Kriegsende unter die Kategorie des „automatischen Arrests“. Heincke saß insgesamt drei Jahre in den Internierungslagern Fallingbostel und Neuengamme. Im April 1948 verurteilte ihn das Spruchgericht Bergedorf zu vier Jahren Gefängnis, zwei Jahre davon galten durch die Internierungszeit als verbüßt. Nachdem seine Frau 1947 an Tuberkulose gestorben war und auch drei seiner vier Kinder schwer erkrankten, wurde er 1949 vorzeitig entlassen. Im Februar 1950 stufte ihn der Entnazifizierungs­ausschuss Lüneburg in Kategorie III ein, als wesentlichen Förderer des Nationalsozialismus. Er durfte wieder als Kürschnermeister tätig sein, aber keine Lehrlinge ausbilden. Verbrechen gegen die Menschlichkeit konnten ihm nicht nachgewiesen werden. Heincke übernahm erneut sein Pelzgeschäft in Verden und starb dort 1986.

Mann

Adolf Heincke. Reichstags-Handbuch, IX. Wahlperiode, 1934

Wilhelm Marquardt war Volkschullehrer aus Immenbeck im Kreis Harburg. 1933 trat er in die NSDAP ein und begann schon bald seinen Aufstieg in der NSDAP-Kulturverwaltung. Gauleiter Otto Telschow ließ ihn vom Schuldienst freistellen und machte ihn zu seinem Redenschreiber und seiner rechten Hand in Sachen Kultur. 1949 schrieb einer seiner ehemaligen Journalistenkollegen über Marquardt: „[F]ortan brachte es der ehemalige Volksschullehrer auf 28 Parteiämter. Er trug die Uniform der Politischen Leiter, war Gauredner und hat als solcher 3000 bis 4000 Reden gehalten, wurde zum Kunstdiktator des Gaues Osthannover und hatte längere Zeit auch die Hauptschriftleitung des ‚Niedersachsen-Stürmers’ inne, Tendenz: antisemitisch. Zuletzt empfing der Immenbecker Lehrer von einst als Leiter des Reichspropagandaamts Osthannover die vertraulichen Informationen aus Goebbels’ Hand und Mund.“ In der Nacht des Novemberpogroms war Marquardt Augenzeuge der Ausschreitungen gegen Lüneburger Juden und ihr Eigentum, möglicherweise hatte er sie auch mit initiiert. Unterbrochen durch einen Kriegseinsatz fungierte Marquardt u.a. als Gauschrifttums-Beauftragter, Volkstumsreferent und Gaupropagandaleiter sowie Chefredakteur der lokalen Tageszeitung „Lüneburgsche Anzeigen“.

Ab Kriegsende war er im Lager Benefeld interniert, im Juni 1948 wurde er von Spruchkammergericht Benefeld-Bomlitz zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, die durch die Internierungshaft schon abgebüßt waren. Danach war er als Landarbeiter tätig, wollte aber unbedingt wieder Lehrer werden. Vor dem Entnazifizierungsausschuss Lüneburg (Januar 1949) bekannte er sich zu allen seinen Ämtern und bezeichnete sich selbst als „idealen Nationalsozialisten“, der jedoch mit NS-Verbrechen nichts zu tun gehabt habe. Der Ausschuss stufte ihn in als wesentlichen Förderer des Nationalsozialismus in Gruppe III ein, er durfte nicht wieder als Lehrer arbeiten.

Ab 1952 war Marquardt jedoch zurück im Schuldienst, zunächst als Lehrer in Hittfeld, ab 1958 als Schulleiter in Immenbeck. Bis in die neunziger Jahre hinein war er der wichtigste Heimatchronist des Kreises Harburg, Herausgeber des Heimatkalenders und Verfasser zahlloser heimatkundlicher Schriften. Er schwieg zu allen Nachfragen wegen seiner politischen Tätigkeit in der NS-Zeit, sagte nur einmal in einem Interview 1990: „Es habe in der Region ‚keine Judenverfolgung’ gegeben, schließlich hätten im Landkreis überhaupt keine Juden gewohnt.“ Dazu schreibt der Historiker Dirk Stegmann: „Diese Aussage ist erwiesenermaßen falsch. Der Zeitzeuge Marquardt, der sonst so penible Chronist seiner Heimat, hätte es besser wissen müssen.“

Der aufstrebende junge Verwaltungsjurist Wilhelm Wetzel kam 1936 als Oberbürgermeister nach Lüneburg, auf besonderen Wunsch des Gauleiters Otto Telschow. Seit 1931 in der NSDAP, wurde er 1933 Leiter des einflussreichen Gauamts für Kommunalpolitik im Gau Osthannover – und blieb das auch während seiner Zeit als Oberbürgermeister, in einer auf kommunalen Ebene sehr seltenen Verquickung von Partei- und Staatsämtern. Vor allem seit der Ernennung Lüneburgs zur Gauhauptstadt 1937 nahm Wetzel großen Einfluss auf die Entwicklung der Stadt und des Gaues. Er war an allen gegen die Juden gerichteten Maßnahmen wie Geschäftsschließungen, „Arisierungen“ und Festnahmen beteiligt. In mehreren Fällen nahm er direkt Einfluss auf Verhandlungen zu Zwangsverkäufen. In seiner Eigenschaft als Leiter der Ortspolizeibehörde gab er am Abend des 9. November der Polizei die Anweisung, bei Ausschreitungen gegen Juden nicht einzugreifen und war so mitverantwortlich für die Gewaltakte der Pogromnacht.

1939/40 und noch einmal 1943-1945 wurde Wilhelm Wetzel zur Wehrmacht eingezogen. Er geriet in jugoslawische Gefangenschaft und kam 1951 zurück nach Lüneburg. Bereits 1950 hatte man in Abwesenheit über seine NS-Vergangenheit verhandelt: Im Entnazifizierungsausschuss wurden ihm „ausdrücklich seine Verdienste um die Stadt und sein lauterer, vornehmer Charakter bestätigt. Die Stadt gewährte ohne zu zögern der Gattin eine monatliche Pension.“ Wetzel ließ sich in Lüneburg als Rechtsanwalt nieder, trat in die FDP ein, wurde ab 1956 Ratsherr und stieg rasch wieder zu einem wichtigen Kommunalpolitiker auf, der sich vor allem kulturpolitisch stark engagierte.

Rathaus

Oberbürgermeister Wilhelm Wetzel bei einer Feier im Rathaus, 1942. Museum Lüneburg

Detaillierte Recherchen zu diesem Thema stehen noch aus. In der frühen Nachkriegszeit wurden als aktive Beteiligte am Pogrom einzelne Namen von Tätern genannt, bisher ist zu ihnen allerdings nichts Näheres bekannt.

Nachweisbar ist dagegen, dass die Novemberpogrome nach dem Krieg in den Spruchkammer­verfah­ren gegen Adolf Heincke und Wilhelm Marquardt sowie bei der Entnazifizierung des früheren Oberbürgermeisters Wilhelm Wetzel eine Rolle spielten. Alle drei bestritten, mit den Ausschreitungen in irgendeiner Weise zu tun gehabt zu haben. Heincke und Marquardt mussten aber zumindest zugeben, direkte Zeugen der Zerstörungen gewesen zu sein und über ihren Charakter Bescheid gewusst zu haben. Im Urteil gegen Heincke heißt es: „Er hatte von dem Polizeimeister Fricke erfahren, daß der Oberürgermeister diesen bereits am vorhergehenden Abend angewiesen hatte, nicht einzuschreiten, falls es in der Nacht zu Ausschreitungen gegen die Juden kommen sollte. Am nächsten Tage erfuhr er durch Presse und Rundfunk, daß überall im Reich Ausschreitungen gleicher oder noch schlimmerer Art stattgefunden hattten. Spätestens damals hat er erkannt, daß die Staatsführung nicht mehr gewillt war, ihren Kurs gegen die Juden weiterhin mit legalen Mitteln zu verfolgen.“

Auch Wilhelm Marquardt hatte vor der Spruchkammer angegeben, nichts von der Verschleppung der Juden gewusst zu haben. An der „Kristallnacht“ sei er nicht beteiligt gewesen, und auch bei Arbeitstagungen im Propagandaministerum habe er nie etwas zur „Judenfrage“ gehört. Im Hinblick auf die Pogromnacht wurde Marquardt, nachdem man ihm die Aussage Adolf Heinckes vorgelegt hat, dann doch etwas konkreter: Es sei durchaus möglich, dass er mit Heincke nach Mitternacht noch ein paar Stunden im Ratskeller gesessen und dort auch SA-Männer getroffen habe – aber er habe nicht mit ihnen gesprochen! Das Gericht ließ sich von diesen Ausreden nicht beeindrucken und hielt im Urteil fest: „Nach der Kristallnacht sah er, dass in Lüneburg in einigen jüdischen Läden die Fensterschrieben zerschlagen und die Läden geplündert waren und er erfuhr, dass allgemein im deutschen Reiche die Synagogen angesteckt waren. Er hat auch gewusst, dass Mitglieder der Partei diese Ausschreitungen gegen die Juden vorbereiteten und an ihr teilgenommen haben, da er in der Nacht im Ratskeller mit diesen Parteimitgliedern zusammen war.“

In beiden Verfahren wird ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Lüneburg unter dem Aktenzeichen 1 Js 39/47 erwähnt, dass gegen mehrere Beteiligte am Novemberpogrom in Lüneburg anhängig sei, darunter gegen Wilhelm Marquardt und Adolf Heincke wegen „intellektueller Urheberschaft“. Leider sind jedoch die Akten dazu, denen sicher genauere Angaben zu Täterschaft und Verantwortlichkeit in der Pogromnacht zu entnehmen wären, nach Angaben des niedersächsischen Landesarchivs nicht überliefert.

Im Entnazifizierungsverfahren des früheren Oberbürgermeisters Wilhelm Wetzel, das 1949/50 in seiner Abwesenheit geführt wurde (Wetzel befand sich noch in jugoslawischer Kriegsgefangenschaft) wurde unter anderem die Frage erörtert, inwieweit Wetzel für die Zerstörung des jüdischen Friedhofs zuständig gewesen sei, die vermutlich während des Novemberpogroms ihren Anfang genommen hatte und bis 1940 durch ein städtisches „Säubern“ des Ortes beendet worden war. Diese Vorwürfe scheinen jedoch nicht weiterverfolgt worden zu sein, da der ehemalige Oberbürgermeister am Ende unbeschadet aus dem Verfahren hervorging. Eine genaue Untersuchung der Rolle Wetzels während des Novemberpogroms steht zurzeit noch aus.

Die erste Spur des Novemberpogroms nach dem Ende der NS-Zeit findet sich in einem Artikel ohne Verfasserbezeichnung, der im März 1946 in der „Lüneburger Landeszeitung“ erschien, einer neugegründeten Tageszeitung mit Lizenz der britischen Militärregierung. Zu diesem Zeitpunkt war das Blatt noch stark von seinem ersten Chefredakteur geprägt, dem die Aufklärung über den Nationalsozialismus und die Ahndung der NS-Verbrechen sehr am Herzen lag. Unter der Überschrift „Gab es in Lüneburg eigentlich Antisemiten?“ war hier ein kurzer Überblick über die Judenverfolgung in Lüneburg zu lesen. In erstaunlicher Offenheit benannte der Text Täter und Taten, erinnerte an die Opfer und verschwieg weder die vielen Mitläufer noch die wenigen mutigen Unterstützer der Lüneburger Juden. „Es ist heute schwer, Menschen zu finden, die die Schicksale der einzelnen kennen und verfolgen konnten. Immer wieder verläuft die Spur irgendwo im Dunkel…“. Dennoch trug der Artikel einiges zusammen, u.a. zum Novemberpogrom: „Man erzählte uns auch, daß die ersten Plakate ‚Juden unerwünscht’ an der Obsthandlung der Begrüder Oppelt, An den Brodbänken, prangten und daß sich einer der Gebrüder sogar eine Verletzung zugezogen habe, als er während der ‚Kristallnacht’ in den Krieg gegen Glas gezogen war.“

Auf eine andere Spur stießen kurz danach jüdische DPs („Displaced Persons“) in Lüneburg. Sie waren Überlebende des KZ Bergen-Belsen und anderer Lager, lebten nach dem Krieg vorübergehend in Lüneburg und bildeten dort für wenige Jahre eine neue jüdische Gemeinde. Die meisten von ihnen kamen aus Osteuropa und hatten keine Verbindungen zur Stadt. Dennoch versuchten sie, mehr über die untergegangene jüdische Gemeinde Lüneburgs und ihr Ende herauszufinden. In der jiddischsprachigen Zeitschrift der jüdischen Gemeinden in der britischen Zone, „Unzere Sztyme“, erschienen regelmäßig kurze Artikel aus Lüneburg. Im Sommer 1947 berichteten die Autoren von einem „schändlichen Dokument“: Sie hatten den Vertrag zwischen der Firma Tolzien und der jüdischen Gemeinde über den Abriss der Synagoge gefunden, in dem festgelegt worden war, dass das ganze Material der Firma gehören sollte.

„Von dem ganzen Material haben wir bis jetzt 60 Balken, etliche Steine, Scheiben und die Türen des Toraschreins gefunden. Die aufgezählten Gegenstände waren aufgrund ihres ‚verdächtigen’ Aussehens nicht verwendet worden. Ein Teil des Inventars befindet sich in einer Kneipe (Schänke). Wir sind auf der Spur der Teppiche und verschiedener heiliger Gegenstände. Aufgrund der deutschen Solidarität ist es für uns schwierig, den vandalischen Taten nachzugehen. Es ist erwähnenswert, dass eine beträchtliche Menge jüdischen Vermögens sich bis heute in Nazi-Händen befindet, trotzdem die Erben der Umgekommenen leben.“

Und es waren auch die jüdischen DPs, die dafür sorgten, dass 1950 auf dem Gelände der ehemaligen Synagoge – das zu dem Zeitpunkt immer noch als Kinderspielplatz diente – ein Gedenkstein aufgestellt wurde. Er trägt folgende Inschrift: „ An dieser Stelle stand der Tempel der Jüdischen Gemeinde Lüneburg welcher im Jahre 1938 durch Nazi-Terror zerstört wurde“ und dann ein Talmud-Zitat auf Hebräisch und Deutsch: „Wehe mir, dass ich zerstörte mein Haus und verbrannte mein Heiligtum, zerstreute meine Kinder unter die Völker“.

Schon bald geriet dieser Ort jedoch in Vergessenheit. Das Grundstück wurde an die „Jewish Trust Corporation“ zurückgegeben, die den westlichen Teil an die Evangelisch-lutherische Landeskirche und den östlichen Teil an die Stadt verkaufte. 1955 errichtete die Kirche am Ort der früheren Synagoge ihre neue Landessuperintendentur. Schon vorher hatte die Stadt den schmalen Stein an den Rand des ehemaligen Synagogengrundstücks versetzt. Er wucherte immer stärker zu und war bald nur noch wenigen Lüneburgern bekannt. Nur selten wurde er für Gedenkveranstaltungen genutzt, z.B. legte im November 1963 eine kleine Abordnung des Stadtjugendrings hier einen Kranz nieder.

Erst in den 2000er Jahren entstanden Pläne, den Ort der früheren Synagoge neu zu gestalten und zu einem würdigen Ort des Gedenkens umzuwandeln. Nach jahrelangen Diskussionen wird dort am 9. November 2018 eine neue Gedenkstätte nach Plänen des Architekten Carl-Peter von Mansberg eingeweiht. In ihrem Mittelpunkt steht der alte Stein von 1950.

Im Zuge der Vorbereitungen für die Einweihung haben die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und die VVN-BdA in Lüneburg noch eine andere Spur verfolgt: Seit einigen Jahren war bekannt, dass im März 1939 im nahegelegenen Adendorf Schutt vom Synagogenabbruch für die Befestigung von zwei Straßen verwendet wurde. 2018 nun begannen zufällig an einer dieser Straßen Erdarbeiten. Die Mitarbeiter der Baufirma wurden aufgefordert, genau auf die Beschaffenheit des Untergrunds zu achten und ggf. auffällige Steine beiseitezulegen. Inzwischen ist dies geschehen, die Steine sollen demnächst vom Lüneburger Stadtarchäologen Edgar Ring begutachtet werden. Außerdem hat sich Peter Asmussen von der VVN auf die Spur des Holzes aus der Synagoge gemacht, das die Firma Toltzin damals weiterverwendete. Nach Aussagen eines Nachfahren der Familie Toltzin soll das Holz beim Bau verschiedener Lüneburger Häuser benutzt worden sein. Die Recherchen laufen.

Entwurf der neuen Synagogen-Gedenkstätte. Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Lüneburg

Außerdem erinnern in Lüneburg seit einigen Jahren Stolpersteine an die Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft. Dazu gehören auch Steine für Betroffene des Novemberpogroms: das Ehepaar Schickler, das Ehepaar Baden-Behr, Albert Horwitz und die Familie Lengel/Hesse.

Gedenkstein am Ort der früheren Synagoge, aufgestellt 1950. VVN-BdA Lüneburg

Ahlers, Herbert: Der Anschlag traf beinahe den Falschen. Zum Jahrestag der Reichskristallnacht – Synagoge wurde nicht zerstört, Landeszeitung für die Lüneburger Heide (LZ) vom 9.11.1967, S. 3

Asaria, Zvi: Die Juden in Niedersachsen. Von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, Leer 1979

Balz, Hanno (Hrsg.): Verdrängung und Profit. Die Geschichte der „Arisierung“ jüdischen Eigentums in Lüneburg 1933-1943, Lüneburg 2011

Banse, Dietrich/Stierl, Sebastian: Nathan Albert Ransohoff (1872-1951). Leben und Wirken eines Lüneburger Arztes, Kaufungen 2017

Bollgöhn, Sibylle: Jüdische Familien in Lüneburg. Erinnerungen, Lüneburg 1995

Eggeling, Carlo: Das Ende der Synagoge, LZ vom 28.1.2013, S. 4

Eggeling, Carlo: Furcht prägt den letzten Gottesdienst in der Synagoge, LZ vom 31.3.1993, S. 5

Friedländer, Saul/Kenan, Orna: Das Dritte Reich und die Juden 1933-1945, Bonn 2010

Geschichtswerkstatt Lüneburg (Hrsg.): Die faschistische Verfolgung der Juden in Lüneburg. Eine Skizze, 1988. Reprint VVN/BdA , Lüneburg 2003

Göske, Manfred: Das Ende der Gemeinde, LZ vom 30.1.1984

Göske, Manfred: Jüdische Friedhöfe in Lüneburg: Mahnmale aus Marmor erinnern an ein schreckliches Schicksal, LZ vom 30.8.1984

Göske, Manfred: Für ihr Vaterland zogen sie in den Kampf, LZ vom 22.7.1985

Longerich, Peter: „Davon haben wir nichts gewusst!“. Die Deutschen und die Judenverfolgung 1933-1945, Bonn 2006

Lüneburger Arbeitskreis „Machtergreifung“ (Hrsg.): Heimat, Heide, Hakenkreuz. Lüneburgs Weg ins Dritte Reich, Lüneburg 1984

McQuillan, Margaret: An Orange in Winter, Lüneburg 2013. Auch in überarbeiteter Form als E-Book online verfügbar

McQuillan, Margaret: The Legacy Project. A History of the Ahronheim/Less Family Luneburg, Germany, MS 2012

Pless, Helmut C.: Lüneburg 45. Nordost-Niedersachsen zwischen Krieg und Frieden, Lüneburg 4. Auflage 1982

Pollmeier, Heiko: Die Verhaftungen nach dem November-Pogrom 1938 und die Masseninternierung in den „jüdischen Baracken“ des KZ Sachsenhausen, in: Günter Morsch/Susanne zur Nieden (Hg): Jüdische Häftlinge im Konzentrationslager Sachsenhausen 1936 bis 1945, Berlin 2004, S. 164-179

Preuss, Werner H.: Die Industrie- und Handelskammer Lüneburg im Nationalsozialismus. Das Wirken ihre Präsidenten Wilhelm Burmeister und ihres Geschäftsführers Dr. Georg Mackensen, Lüneburg 2017

Reinecke, Wilhelm: Geschichte der Stadt Lüneburg, Lüneburg 1933, Nachdruck von 1977

Ring, Edgar: Juden in Lüneburg im Mittelalter. Schriftliche Überlieferung und archäologische Untersuchungen, in: Aufriss. Mitteilungen des Arbeitskreises Lüneburger Altstadt e.V., Nr. 9, August 1993, S. 2-6

Rosenbaum-Greenberg, Susan: Lüneburg Remembered. A time before, during and after Jews were Germans among Nazis, Westport, CN 2007

Sabelleck, Rainer: „Lüneburg“, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Bd. 2, Göttingen 2005, S. 1016-1024.

Sabelleck, Rainer: Um Hab und Gut betrogen und vertrieben. Pogromnacht vor 75 Jahren: Der Weg der Lüneburger Familie Harry Schickler in die Emigration, LZ vom 8.11.2013, S. 8

„Spuren suchen. Lüneburg zur Zeit des Nationalsozialismus“. Ein Dokumentarfilm von Imke Koslowski, Johannes Bünger und Veit Ebermann. 80 Minuten, Lüneburg 2001, Neuauflage DVD 2009

Stegmann, Dirk (Hrsg.): Der Landkreis Harburg 1918-1949. Gesellschaft und Politik in Demokratie und nationalsozialistischer Diktatur, Hamburg 1994

VVN/BdA Lüneburg (Hrsg.): Die Staatspolizei Lüneburg I: Strukturen und Täter, Lüneburg 2011

VVN/BdA Lüneburg (Hrsg.): Lüneburger „Gedenkkultur“. Ein Beitrag zur Diskussion über die Gedenkanlage an der früheren Synagoge, Lüneburg 2013

VVN/BdA Lüneburg (Hrsg.): Die Staatspolizei Lüneburg II: Über das Leben und Sterben der Gestapo-Schutzäftlinge des Landgerichtsgefängnisses Lüneburg, Lüneburg o.D. [2015]

Wiesenfeldt, Christoph: „Mobilmachung in der Kirche“? Die ev.-luth. Kirchengemeinde Lüneburg 1918-1945, Lüneburg o.D. [2009]

 

Links

LEMO – Lebendiges Museum Online: Das Novemberpogrom 1938

Die WELT, 9.11.2008: Woher kommt der Begriff „Reichskristallnacht“?

Stolperstein-Initiative Lüneburg: Stolpersteine in Lüneburg

Wikipedia: Liste der Stolpersteine in Celle, Adolf und Hulda Schickler

MTV Treubund von 1848 e. V.: Stolpersteine in der Vereinsgeschichte

Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Lüneburg: (gcjz) Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit Lüneburg e.V. – Informationen

Zur Familie Baden-Behr:

Geschichte.Bewusst.Sein: Biografien > Lucie Baden, geb. Joseph, verw. Behr

Antifa Lüneburg/Uelzen: Geschmacklos! Anzeige in der Landeszeitung “75 Jahre Schuhhaus Schnabel”

Museum Lüneburg: Gedenkwoche für die Opfer des Nationalsozialismus

Zur Familie Lengel:

Museum Lüneburg: Rückgabe von Museums­objekten an die Erben des Lüne­burger Kauf­manns Hirsch Lengel

Kitchener Camp, Refugees to Britain in 1939

Zur Familie Less:

Museum Lüneburg: Feierliche Menora-Übergabe im Museum Lüneburg. Besuch von Margaret McQuillan im Museum Lüneburg

Zur Familie Ransohoff:

„Euthanasie“-Gedenkstätte Lüneburg: Nathan Albert Ransohoff (1872-1951)

Zur Familie Schickler:

Kulturverein Schwarzer Hahn e.V.: Theresienstadt 1941-1945, ein Nachschlagewerk: Schickler, Adolf, Hulda, Harry